31.05.2013

Ins Netz gegangen

Abend, frischer Wind und ich mache flotte Fahrt. Ich bin in der Küche und koche gerade Curry-Tomatensauce für meine Kichererbsen, als mich ein ungewohntes Geräusch irritiert. Auf dem Schiff gibt es viele Geräusche, und ich kenne fast alle, aber dieses ist neu: quietschendes Plastik von achtern. Ich gehe ins Cockpit und erkenne schnell was los ist: ein großer Styropor-Würfel klemmt unter dem Heck und bei jeder Welle schabt er quietschend am Rumpf. Außerdem macht das Schiff fast keine Fahrt mehr. Im Dunkeln achteraus erkenne ich mit Kopflampe weitere Styropor-Schwimmkörper, verbunden mit Leinen, und mir ist klar: daran hänge ich jetzt fest. Ich nehme die Segel runter, aber mit 20kn Wind zerrt das Schiff auch ohne Segel an seiner Fessel, die sich anscheinend am Ruder festgeklemmt hat. Das Steuerrad lässt sich nur noch zu einer Seite und dann garnicht mehr drehen. Mist!
Das Wasser ist hier 75m tief, gerade am Rand des Festlandsockels, wo aus einer Wassertiefe von dutzenden plötzlich tausende Meter werden. Hier gibt es wohl die besten Fische, und irgendein Fischer hat sein Netz mit Schwimmern und Ankern hier platziert.

Da hänge ich nun, und überlege, wie ich da halbwegs elegant wieder frei komme. Mit dem Motor rückwärts fahren traue ich mich nicht, damit sich die Schraube nicht auch verfängt, falls sie es nicht schon ist. Tauchen gehen und mit der Hand befreien? Alleine, im Dunkeln? Undenkbar! Bis zum Morgen warten und dann tauchen? Da müsste erst Wind und Welle aufhören, sonst werde ich unter dem Heck erschlagen. Die Wellen klatschen jetzt gegen das stehende Heck, einige spritzen hoch und machen mein T-Shirt pitschnass. Immerhin ist es warm.
Ich versuche die Leine, an der ich festhänge, aus dem Wasser mit dem Bootshaken hochzunehmen. Die Leine steht unter Spannung, ich ziehe mit Kraft, und der Bootshaken bricht. Ich halte den Griff in der Hand und sehe das andere Ende langsam wegdriften. Mist.
Ich habe ja noch einen Bootshaken, den ich jetzt hole. Diesmal binde ich eine Leine an die Reling und an das untere Ende der Stange. Ich ziehe wieder mit Kraft die Leine aus dem Wasser, fast habe ich sie, aber es ist zu schwer, dann bricht auch der zweite Bootshaken in der Mitte durch. Ich halte den Griff in der Hand und sehe das andere Ende zusammen mit der Leine langsam wegdriften. Der Knoten der Reling war nicht richtig fest! Das passiert mir doch sonst nie. Mist!

Na gut, die Bootshaken waren beide alt und klapperig. Jetzt kann ich mir einen schönen neuen kaufen. In Trinidad.

Nächster Versuch: Ich binde aus einer Festmacherleine eine Art Lasso und versuche damit den anderen Styroporwürfel einzufangen, der in der Nähe schwimmt. Aber ich kriege die Schlinge nicht richtig rüber - einmal fast, aber dann doch nicht. Während ich noch überlege, treibt der Würfel langsam nach vorne, und legt sich dann sanft an die Bordwand. Dort kriege ich ihn einfach mit der Hand zu fassen und hole ihn an Deck.
Aber auch mit den Leinen, die ich jetzt in der Hand habe, bekomme ich den verklemmten Würfel am Heck nicht frei, also kappe ich sie. Schließlich hole ich aus der Kombüse das lange Messer, hänge mich (gut angeleint) kopfüber am Heck hinunter und schneide knapp unter Wasser die straff gespannte Leine durch. Peng! Haha! Frei! Das Schiff fährt wieder. Das Ruder lässt sich auch wieder bewegen. Erleichterung!
Nur der Styroporwürfel hängt immer noch unter dem Heck, bremst die Fahrt und quietscht mit jeder Welle. Ich hänge mich wieder mit dem Küchenmesser bewaffnet am Heck hinunter und schneide mühsam die vier Leinen durch, die das Styropor festhalten. Schließlich rutscht der Würfel von seiner Befestigung und treibt im Kielwasser davon. Ein paar kurze Leinen hängen noch am Ruder, aber das macht erstmal nichts, so kann ich weiterfahren. Ich teste den Motor und stelle erleichtert fest, dass sich die Schraube frei dreht.
Dann zurück zum Curry und Abendessen.


Den eingefangenen Würfel hebe ich erstmal als Souvenir auf, und schenke ihn später irgendwo einem Fischer.

29.05.2013

Jericoacoara


Der kräftige Passatwind und die starke Strömung des Äquatorialstroms schiebt mich mit Rekordgeschwindigkeit (Etmal 172 Meilen) an der Nordküste Brasiliens entlang nach Westen. Mein Ziel: noch einmal ankern und an Land gehen, bevor ich Brasilien endgültig verlasse.
Im Cruising Guide ist mein gewählter Ort nicht erwähnt, aber auf der Seekarte sieht es machbar aus, und auf Google Earth ist dort ein ankerndes Segelschiff zu sehen. Dessen Koordinaten habe ich mir eingespeichert, und da will ich hin. Aber bitte nicht im Dunkeln ankommen.
Ich fahre 70 Meilen vor der Küste, jenseits des Festlandsockels, um möglichst stark die Strömung auszunutzen. Als ich dann den Kurs Richtung Küste ändere, merke ich, dass mich die Strömung am Ziel vorbeitragen will, und ich muss fast am Wind kämpfen, um da anzukommen, wo ich hinwill. Außerdem muss ich mich beeilen, um noch bei Tageslicht da zu sein. Ich trimme die Segel auf Höchstgeschwindigkeit und am Nachmittag kommt Land in Sicht. Pünktlich zum Sonnenuntergang laufe ich in die kleine offene Bucht ein und im letzten Licht fällt der Anker auf den flachen sandigen Grund. Die Bucht liegt friedlich da, hinter einer riesigen Düne gut geschützt von Wind und Welle.

Ich schlafe gut aus, und am nächsten Morgen mache ich das Schlauchboot klar und gehe an Land. Das ist gar nicht so einfach. Der Strand ist so flach, dass ich 500m weit draußen ankern muss, um genug Wasser unterm Kiel zu haben. Dann muss ich die letzten 50m, wo kleine Wellen brechen, waten und das Schlauchboot ziehen, weil es so flach ist. Und dann muss ich das Boot 100m den Strand hinauftragen zur Hochwasserlinie, damit es nicht weggeschwommen ist, wenn ich wiederkomme. Dabei hilft mir ein netter Tourist, alleine hätte ich das nicht geschafft. Und dann muss ich einen Aufpasser bezahlen, damit niemand Unfug treibt, während ich unterwegs bin.

Ich bin in Jericoacoara, einem abgelegenen aber angesagten Urlaubsort an der wüstenhaften Küste des Bundesstaates Ceará. Weil das Wasser ruhig aber der Wind stetig ist, kommen Kitesurfer und Windsurfer aus der ganzen Welt hier her. Dafür nehmen sie auch die Anfahrt mit Offroad-Bus über Wüstenpisten in Kauf. Nur Brasilianer einer gewissen Schicht, die kommen mit dem Helikopter.
Am Strand reiht sich eine Surf-Schule an die andere. Dazwischen Bars und Hotelanlagen. Ich lasse mir von einer Kite-Lehrerin erzählen, dass die meisten Grundstücke hier Italienern gehören, die, wie ihr Chef, vor Jahren, als es noch billig war, hier investiert haben.
Ich schlendere durch den kleinen Ort. Ich finde ein Internetcafe und rufe mit Skype bei Nina an, die sich sehr freut.

Zum Sonnenuntergang versammeln sich alle Touristen auf der großen Sanddüne neben dem Ort, um zuzusehen, wie die Sonne im Meer versinkt - hier ist einer der wenigen Orte in Brasilien, wo man das kann.
Ich ruhe mich an Bord aus und gehe um Mitternacht nochmal an Land. Heute Nacht gibt es Forró, Livemusik und Tanz. Die Musik ist energiegeladen, aber zum Tanzen fehlt mir etwas der Schwung. Aber schöner Abschied von Brasilien.
Noch einen Tag und eine Nacht mache ich Ruhepause, dann lichte ich am frühen Morgen den Anker und mache mich auf zur nächsten Etappe.

25.05.2013

SFL Spey



Am fünften Tag auf See kommt morgens ein Schiff auf mich zu. Ich sehe auf AIS den Namen "SFL Spey" und funke es an, ob er mich auch sieht. Kein Problem sagt der Kapitän, und überholt mich eine Viertelstunde später in knappem Abstand. In dem Moment geht ein Regenschauer nieder und der Frachter ist von einem Regenbogen umgeben. Ich zücke meine Kamera und mache ein Bild während das Schiff aus dem Regenbogen hinausfährt.
Ich funke den Kapitän nochmal an, und frage ihn, ob ich ihm das Foto schicken soll. Er heisst Lito, ist Filipino, und er gibt mir seine Email. Ich verspreche, ihm Wochen später, wenn ich wieder Internet habe, eine Mail zu schreiben.
Bevor er am Horizont verschwindet, habe ich eine Idee und funke ihn nochmal an. Ich frage ihn, ob er für mich eine Email an Nina schreiben kann, dass es mir gut geht. Das macht er gerne und ich gebe ihre Adresse durch. Da wird sie sich freuen, denke ich mir.

Flaschenpost

Früher hätte man eine Flaschenpost ins Meer geworfen. Heute macht man das besser per Funk. Geht schneller. Eben erreichte mich diese Email:


From : Michael Kurz
C/O MV SFL Spey

Hi ! This message is sent by your husband saying he’s well Okay on board his sailing boat.
He will arrived in about two weeks from now.



Best Regards
Master MV SFL Spey

Juhu!!!

Für alle, die es noch nicht wussten: Michi segelt gerade von Salvador nach Trinidad, während ich zuhause die Kinder bespaße.

17.05.2013

Tifricat

Das einzige andere bewohnte ausländische Boot in der Marina ist Tifricat mit Fritz und Gitti aus Graz. Sie helfen mir bei meinen Ausflügen zum Masttop, indem sie die Winches bedienen, die mich hochziehen. Dann haben wir ein paar lustige Abende zusammen, bei Spaghetti, Rotwein und Grappa.


Außerdem gehe ich ein paar mal in Salvador aus mit meinem Freund Nico, dem Reisebuchautor, und seinen Freunden. Wir haben Spaß bei brasilianischer Live-Musik verschiedener Art.

15.05.2013

Aufklarieren

10 Flugstunden und ein Taxi und ich bin wieder bei Padma an Bord, in Salvador de Bahia. Diesmal will ich die Reise alleine fortsetzen. Nina, Kaya und Mona warten geduldig in Gießen,as> während ich die weite Strecke rund um Brasilien bis in die Karibik segele. Denn da wollen wir nächsten Winter als Familie die Inseln erkunden. Aber zuerst liegen 2500 Seemeilen oder drei Wochen auf See vor mir.

Ich finde Padma so vor, wie ich sie verlassen habe. Alles ist in Ordnung, nur in der Bugkabine ist es pitschnass von Regenwasser, weil die Decksluke undicht ist. Aber das wusste ich schon, weswegen ich eine neue Luke im Gepäck habe, die ich an einem trockenen Tag einbaue und am nächsten Tag bei Regen erfolgreich teste.
Und das Wind-Instrument funktioniert nicht. Ich brauche einige Tage und mehrere Gänge zum Masttop um das Problem zu identifizieren und dann zu beheben: Das Kabel im Mast, das zur Windfahne auf dem Top geht, ist korrodiert. Ich ziehe ein neues ein und löte in luftiger Höhe die Kontakte zusammen.

Ich brauche einige Tage, um alles aufzuräumen, anzubringen und seeklar zu machen. Außerdem ist das Unterwasserschiff ziemlich bewachsen und muss mühsam freigekratzt werden. Ich lasse die Schraube reinigen und fahre nach Itaparica, wo das Wasser sauber ist. Auf dem Hinweg fährt Padma mit Vollgas gerade mal 5 Knoten schnell. Auf dem Rückweg, frisch gesäubert gehen 7,5 Knoten!