31.07.2011

La Restinga


Wind. Wind. Wind. Es pustet ganz schön hier. 40 Knoten, sogar 45 in Spitzen misst unser Windometer am Boot. Der Hafen ist so gut geschützt, dass kein Schwell reinkommt, aber das Pfeifen des Windes, das Klappern der Fallen am Mast, das Rauschen des Windgenerators, der in regelmäßigen Abständen überhitzt und verzweifelt in den Leerlauf flüchtet, schafft uns ziemlich und macht die Nächte unruhig.

Am Montag ziehen wir um. Dann wird das Boot an Land gekrant, um gepflegt und mit Antifouling gestrichen zu werden, und wir ziehen in ein kleines Appartment.

Bis dahin heißt es: Abwarten und Kaffee trinken.

PS.: Thomas ist nicht zum verabredeten Essen gekommen. Dabei hatte Michi wieder mal alles gegeben und irre lecker indisch gekocht - und dann saßen wir da vor den dampfenden Töpfen und warteten und warteten. Aber kein Thomas. Einfach gar nicht aufgetaucht, auch später keine Nachricht, keine Entschuldigung, kein Kommentar. Tja. Ob er uns über zu viel Bier einfach wieder vergessen hat?

30.07.2011

Erste Kontakte mit Einheimischen



Na gut, Thomas ist kein Einheimischer im eigentlichen Sinne. Er ist Schotte, wohnt aber schon lange auf El Hierro. Sehr lange. Zu lange, wie er selbst sagt. Wir kommen ins Gespräch in einer kleinen Bar in El Pinar.

Eigentlich wollten wir heute was von der Insel sehen. Also haben wir uns vormittags an die Straße gestellt, die aus La Restinga zunächst ins mondlandschaftige Nichts führt, und den Daumen ausgestreckt. Mal sehen, wohin es uns verschlägt... Wir hatten nicht mal Zeit, diesen Moment photographisch festzuhalten, denn prompt hielt das erste Auto, das kam. Ein Pärchen aus Teneriffa, sogar mit Kindersitz hinten, begrüßt uns freundlich. Sie führen nach El Pinar. Ja, prima, wohin auch immer, wir auch!

El Pinar ist eine Gegend, die aus zwei kleinen Ortschaften besteht. Beide sehr verschlafen, wie wir feststellen müssen, als wir uns aus dem Auto pulen. Irgendwo hier muss es auch Wald geben, aber so direkt ist nicht zu erkennen, wo das sein soll, die Hitze ist erdrückend, der Wind pfeift gnadenlos (das ist ein bisschen wie permanent unterm Föhn stehen) und wir haben Hunger. Daher suchen wir nach kurzem Spaziergang das nächste Restaurant. Wir müssen uns eine Weile die heiße Straße entlangschleppen, doch als wir schon beinahe beschließen, in den nächsten größeren Ort zu trampen, taucht hinter einer Biegung eine kleine Bar auf. Es gibt keine besondere Auswahl, vor allem nicht vegetarisch, aber das ist jetzt egal. Wir nehmen Salat, Kartoffeln und Fisch und sind heilfroh, für einen Moment Wind und Sonne entfliehen zu können.

Hier bleiben wir hängen. Einer liest, einer spielt mit Kaya "Straße überqueren" - ein Spiel, das sie offensichtlich nicht müde wird, wieder und wieder zu spielen.

Und so kommt es, dass sich irgendwann Thomas zu uns setzt. Er hat viel zu erzählen, von sich, von seiner Zeit bei der Armee, seinem Kampf, mit den traumatischen Erinnerungen umzugehen, von einem Leben in Amsterdam als Türsteher bei den Hell's Angels, von Prügeleien und zwielichten Begegnungen, von seiner Aufgabe als Scotts Guard in London ("I kissed Princess Anne! Twice! On the mouth!"), von seinem Sohn in Jamaica... Dabei trinkt er ein Bier nach dem anderen. Er ist ein bisschen verpeilt, offensichtlich Alkoholiker, labert uns das Ohr ab - aber ich spüre, dass er ein warmherziger Mensch ist. Diskutieren kann man zwar nicht mit ihm - als er uns über die Übel des Kapitalismus belehrt und propagiert, man solle das Geld ganz abschaffen und alle sollten wieder selbstversorgend auf kleinen Stückchen Land leben, dabei jeden Einwurf mit "You don't listen to me. You don't understand what I am saying. You. Don't. Listen." abtut, werde ich unangenehm an Tommy von der "Grand Jubilee" erinnert - aber warmherzig ist er dennoch.

Wir laden ihn für morgen zum Essen an Bord ein.

Zum Abschied schenkt er Kaya ein selbstgemachtes kleines Lederetui mit Bernstein zum Umhängen. "Viking's Tear" nennt er den Stein, eine Erinnerung an seine Kultur. Für Kaya, in deren "pixie-face" er ganz verliebt ist. Morgen will er seine Gitarre mitbringen und für uns singen. Ich bin gespannt!

Der Heimweg ist deutlich schwieriger als der Hinweg. Wir stehen etwa 2 Stunden ratlos an der staubigen Straße, bis endlich ein Auto hält. Auch ein Pärchen aus Teneriffa - nette Menschen dort!

Überfahrt nach El Hierro

El Hierro ist von unserer Ankerbucht ca. 45 Seemeilen entfernt. Wenn wir im Schnitt 5 Knoten Fahrt machen, brauchen wir für diese Strecke 9 Stunden. Die Wettervorhersage lässt auf achterlichen Wind von 12 bis 15 Knoten hoffen, das wäre perfekt - genug zum Segeln, aber nicht so viel zum Angst kriegen. Gegen Abend dann, so die Vorhersage, frische der Wind auf. Macht nichts, bis dahin sind wir ja im Hafen. Wir fahren einfach mal richtig früh los, nehmen wir uns vor. Vielleicht so um 8.

Aber erst wird gefrühstückt (siehe Blogeintrag eins weiter unten). Dann muss Michi den Schlauch zum Heißwasserboiler reparieren, der leckt nämlich. Ich muss noch eine Runde in der lauschigen Bucht schwimmen. Dann muss am Motor die neu reparierte Pumpe nachgezogen werden, da kleckst Öl raus. Dann muss noch aufgeklart werden (alles sicher verstaut und weggeschlossen werden, damit uns nichts um die Ohren fliegt).

Als wir den Anker lichten, ist es 11 Uhr.

Kein Wind.

Unter Motor fahren wir ein Stück aus der Bucht raus, leichter Wind von 8 bis 10 Knoten. Kaya schläft, so kann ich prima mit anpacken. Wir setzen die Segel, merken aber schnell, dass das mit der Genua nichts wird. Padma macht kaum Tempo. So kommen wir nie an. Also wuchtet Michi den Gennacker aus der Achterkajüte nach oben. (Für alle Nichtsegler: das ist ein riesiges, ganz leichtes Leichtwindsegel, das vorne statt der Genua gesetzt werden kann und das Boot auch bei wenig Wind voranzieht). Großes Gewiggel mit diversen Schnüren (ok., ok., ich gebe zu: Ich bin so richtig im Seglerlatein auch noch nicht drin. Das sind eigentlich Fallen und Schoten, und wenn man das nicht weiß, dann solle man zumindest Enden sagen, oder Tampen? Jedenfalls: großes Gewiggel!). Michi schuftet tapfer, klettert nach vorne, sortiert, knotet, zieht, spannt... Als endlich der Gennacker sich stolz im Wind bläht, frischt derselbe plötzlich auf. Wahrscheinlich verlassen wir nun den Windschatten von La Gomera. 14 Knoten. 16. 18. Zu viel für den Gennacker, also wieder runter damit. Auch das ist eine irre Arbeit, aber schließlich liegt das Segel, in einen Schlauch gebändigt, an der Reling, wo Michi es festknotet. Falls wir es nochmal brauchen heute. Und die Genua wird wieder gesetzt. Uff! So viel Schufterei!

Wenigstens machen wir jetzt gute Fahrt. Mit 4 bis 5 Knoten rauschen wir El Hierro entgegen. Zeit für ein Mittagessen. Es gibt Risotto für alle, das wir mit Kaya auf dem Schoß im Cockpit einnehmen. Ich finde es schon gar nicht mehr so schwierig, bei dem Geschaukel zu essen, und schon gar nicht mehr so unheimlich, Kaya bei uns draußen im Cockpit zu haben. Ich glaube, mit jedem Törn, den wir machen, gewöhne ich mich mehr an das Schiff, nicht nur an seine Bewegungen, auch an seine Zuverlässigkeit und Robustheit. Ich traue ihm mehr zu. Und mir selbst auch. Gutes Gefühl!

Der Wind wird stärker. Erst 20, dann bis zu 25 Knoten, in Böen sogar 30. Holla. Padma kommt jetzt richtig auf Tour und macht etwa 7 Knoten Fahrt. Wir surfen nach El Hierro! Yeah! Unter uns rollen die Wellen von Achtern durch, was das Boot natürlich auch schaukeln lässt, aber deutlich angenehmer ist, als Wellen von vorne oder seitlich nehmen zu müssen. Während Michi sich zum Ausruhen ablegt, halten Kaya und ich im Cockpit Ausschau. Eigentlich gibt es nichts zu tun, hier ist ja sonst keiner und der Wind scheint sich nun konstant eingependelt zu haben. Aber Wache muss sein. Kaya in Regenjacke (manchmal spritzt hier dann doch etwas Wasser über uns) und Schwimmweste sitzt auf meinem Schoß und guckt fasziniert jeder dahinrollenden Welle nach. Ich muss zugeben: die sind auch wirklich beeindruckend! Irgendwann schläft sie ein und ich lege sie, gut gepolstert in ihrer Weste, auf dem Boden im Salon ab. Das kommt mir erst ein bisschen komisch vor (gehört das Kind für seinen Mittagsschlaf nicht ins Bett?), aber das ist der ruhigste Ort im ganzen Boot, hier findet am wenigsten Bewegung statt. Und schließlich mache ich diese Reise unter anderem auch, um mal althergebrachte Konventionen neu zu hinterfragen.

Kurz vor unserem Ziel wid es dann doch nochmal etwas ruppiger. 30 Knoten, in Böen 35, einmal sogar ein heftiger Ruck von 40 Knoten. Ich versuche, Kaya unter Deck zu bespaßen, merke aber schnell, dass Vorlesen bei 30 Knoten einfach keine gute Idee ist. Kurz an Deck, Mittagessen über die Reling und dann wieder nach unten zum Kind. Auch daran gewöhne ich mich langsam...Aber Gewöhnung hin oder her, die restliche Stunde kann ich nur noch blass auf dem Salonsofa verbringen, Kaya ist in der Babyschale festgeschnallt und saugt am Daumen. Tapferes Mädchen!

Da wir so unerwartet rasantes Tempo gemacht haben, laufen wir schon gegen 18 Uhr in die kleine Marina von La Restinga an der Südspitze von El Hierro ein. Und sind beide sofort verliebt in dieses Örtchen. Zwei Stege, einer für Motorboote, einer für Segler. Kinder springen jauchzend von der Hafenmauer ins Wasser. Ein winziger kleiner Strand mit drei Palmen und ein paar Familien. Uferpromenade mit zwei oder drei Cafés. Ein Spielplatz. Ein paar kastige Wohnhäuser. Rechts ein kleines weißes Hostal mit Terrassen und Treppchen, die in die schwarze Vulkanlandschaft gehauen sind. Sonst nichts. Dahinter nur noch Mondlandschaft. Ein toller Anblick! Eine Filmkulisse. Hier war lange Zeit das Ende der bekannten Welt. Und so fühlt es sich auch heute noch an. Irre! Rauh, wild, karg - und gleichzeitig (das ist natürlich auch dem schützenden Hafen zu verdanken) ganz kuschelig, behütet, herzlich.

Unser erster Gang führt, wie in jedem neuen Hafen, wenn es denn möglich ist, zur Pizzeria. Aber vorher wartet noch eine Überraschung auf uns: Unsere spanischen Stegnachbarn haben eine verletzte Wasserschildkröte gefunden und wollen sie gerade zum Tierarzt bringen. Die gucken wir uns auch mal genauer an. Ein großartiges Tier!

Jetzt aber Pizza!

29.07.2011

Vor Anker

Am frühen Abend (28.7.) werfen wir die Leinen los und tuckern aus dem Hafen von San Sebastian. Ich bin traurig über den Abschied und zugleich gespannt auf das, was jetzt kommt. Ein Gefühl, an das ich mich auch langsam gewöhne und das beginnt, mir zu gefallen. "Wohl an denn Herz, nimm Abschied und gesunde". Wusste schon Hermann Hesse.

Diese Reise ist eigentlich eine Allegorie auf das Leben.

Uff.

Der Trip zur Ankerbucht ist wenig spektakulär. Kaya schläft die meiste Zeit, wir lesen, der Motor schiebt uns zuverlässig an der Küste entlang. Es hat keinen Zweck, hier Segel zu setzen. Kaum Wind, und der auch manchmal direkt von vorne. Aber die Bucht selber, das Ankern hier, ist wahrhaft spektakulär. Die Wellen rollen sanft auf einen kleinen, steinigen Strand. Verfallene Ruinen geben der kargen Landschaft etwas Morbide-Romantisches. Die Sonne ist eine blasse Scheibe dicht überm Horizont. Sie hat heute entschieden, bescheiden zu verschwinden. Als unser Anker endlich sicher sitzt, ist es dunkel. Kein Mond. Michi hängt uns die Lichterkette für mehr Stimmung im Cockpit auf, rings entlang des Biminis. WOW! Filmreif. Unser kleines Traumschiff. Hier genießen wir das Abendessen. Kaya, die eigentlich schon längst im Bett sein sollte, darf auch nochmal im Schlafsack dazu kommen. Nach dem Essen machen wir die Lichtchen aus und gucken in die Sterne. Wie schön das Leben ist! Ich halte die langsam einschlummernde Kaya auf dem Schoß, blicke nach oben in die Weite, lausche der Brandung und summe Rainbowsongs. Und ich weiß: In diesem Moment möchte ich nirgendwo anders sein. Ob das die Definition von "glücklich" ist?


Hier frühstücken wir am nächsten Morgen. Vor dieser tollen Kulisse. Nur wir und die Ruinen und das Meer. Und unsere Lichterkette.



28.07.2011

Abschied von La Gomera


Heute ist der Tag des Aufbruchs! Gleich heißt es Leinen los, tschüß San Sebastian! Aber wir fahren in Etappen. Heute geht es nur zwei oder drei Stunden an der Inselküste entlang nach Westen, um dort in einer Ankerbucht die Nacht zu verbringen und eine bessere Ausgangsposition für die lange Reise nach El Hierro zu haben.

Den Abschied zelebrieren wir mit einem leckeren Frühstück auf dem großen
Platz - und mit ein paar Runden Autofahren für Kaya.

26.07.2011

Ich habe neues Sandspielzeug!

Schach


Revenge. Diesmal ganz klein - nicht nur, weil dann Kaya nicht eingreifen und einem Spieler klare Vorteile verschaffen kann, sondern auch (und vor allem) weil wir an Bord keine anderen Optionen haben. Es wird ein harter Kampf bis nach Mitternacht, den Michi schließlich mühsam gewinnt.

Leider wollen Babette und Steve bald weiter nach La Palma und wir sind ja auch auf dem Absprung nach El Hierro. Wie traurig! Ich hatte mich schon so an sie gewöhnt. Vielleicht lerne ich ja irgendwann, mich auch daran zu gewöhnen, dass das zum Reisen dazugehört. Immer wieder Menschen ins Herz zu schließen, die nur eine Momentaufnahme des Lebens mit uns teilen.

25.07.2011

Wieder mal im Valle Gran Rey

Deja Vu. Wir mieten ein Auto und fahren ins "Valle". Mal wieder. Diesmal mit Steve und Babette. Es ist ganz ähnlich wie damals mit Lina und Johan - und doch ganz anders. Erster Halt: Flohmarkt. Während die Mädels über den Markt schlendern und shoppen, spielen die Jungs Schach.

Kaya spielt mit. Wobei nicht ganz klar ist, ob als Spieler oder als Figur...

Dass Michi schließlich die Partie gewinnt, ist vermutlich einzig und allein ihrem eifrigen Einsatz zu verdanken.
Dann fahren wir runter zum Hafen, suchen uns ein gemütliches Restaurant und schmausen. Steve und Babette wollen unbedingt mal ausprobieren, wie so ein "vegetarischer Tag" wohl ist und überlegen, ob sie die Gemüselasagne oder die Pilze nehmen sollen. Volle Solidarität!
"What are you having, Nina?"
"Fish."
"???"
"I love fish!" Ich muss doch den Solidaritätstrip nicht mitmachen. Das lässt sich Steve nicht zweimal sagen und nimmt dann doch die Thunfischsteaks. Nur Babette bleibt solidarisch. Und Kaya. Der schmeckt meine Dorade nicht.
Das Faulenzen im Restaurant geht ziemlich nahtlos über in ein Faulenzen am Strand. Genau genommen: alle faulenzen, nur Kaya ist voller Energie und tapst jauchzend durch den schwarzen Sand, patscht mit den Händchen im Wasser der ruhigen Hafenbucht und untersucht neugierig die Sandhügel und Badegruben der anderen Kinder. Dabei wird man schon mal ein bisschen sandig... Papa panada.

Die weiteren Programmpunkte sind: Faulenzen in der Eisdiele, Faulenzen und lesen im Café, Faulenzen am Playa de Inglese, Faulenzen in der Pizzeria und schließlich im Stockdunklen nach Hause. Michi fährt tapfer, alle anderen faulenzen im Auto. Ein guter Tag, alles in allem.

24.07.2011

Steve und Babette

Eigentlich hatte ich sie schon bei unserer ersten Begegnung auf dem Steg ins Herz geschlossen - das walisische Pärchen bestehend aus dem Seebären Steve, der mit erstaunlicher Gelassenheit auf die Frage, was mit seiner in einem dicken Verband steckenden Hand passiert sei, antwortete: "Ahr, just go' me fingers in the winsch", und der stets strahlenden Babette, die die Geschichte deutlicher schilderte, dabei aber nicht nachließ, eine unglaubliche Lebensfreude auszustrahlen. Sie wollten eigentlich von Teneriffa nach El Hierro, sind dabei aber in überraschend rauhes Wetter gekommen. 40 Knoten Wind über Deck. Ziemlich rauh! Beim Versuch, die Genua zu reffen, hat Steve den Fehler gemacht, mit der Hand gegen 40 Knoten ziehen zu wollen. Die 40 Knoten waren stärker und haben seine Finger - zack - zwischen Winsch und Schot gezerrt. "It was bloody awful", sagt Babette und lächelt, als erzähle sie eine andere Geschichte, "There was blood all over the deck. I mean, it was like in a slaughterhouse!" Sie, obwohl schon ganz blass vor Seekrankheit, habe dann die blutenden, halb abgequetschten Finger notdürftig verbunden, und gemeinsam hätten sie beschlossen, nicht bis El Hierro weiter zu brettern, sondern lieber nach La Gomera zu fahren, wo es ein Krankenhaus gibt. Das bedeutete allerdings, gegen Wind und Welle zurückkämpfen. "It took us hours just to get in the harbour!" Und ich dachte, unsere Überfahrt sei anstrengend gewesen. Unser zweiter Kontakt war dann das gemeinsame Essen gestern, bei dem Steve zu seiner zunehmenden Irritation immer wieder feststellen musste, dass Padma ganz gut ausgerüstet ist und dass Michi offenbar was von Elektrik und Ingenieurstätigkeiten versteht. Er nicht. Und da seine "Quest" noch einige offene Baustellen hat, bei denen er alleine nicht weiterkommt, bot Michi an, sich das Ganze mal anzugucken. So sieht das aus, wenn zwei Jungs an den Batterien basteln:
Kaya hat mittlerweile in Babette ihre neue Lieblingsfreundin gefunden und sortiert, während im Salon gebastelt wird, mit ihr im Vorschiff Schmuck.

Toll, Freunde zu haben!
Den Abend verbringen wir mit Jörg und Elisabeth, zwei segelfreudigen Berliner Psychotherapeuten, denen wir schon mehrfach über den Weg gelaufen sind, wobei immer eine Partie "gerade im Aufbruch" war. Jetzt haben wir mal Zeit füreinander und sitzen über Tapas und frischem Orangensaft in einer der kleinen Bars direkt am Strand. Es wird ein sehr interessanter Abend mit großen Themen (wie leben?), bei dem allerdings Michi und ich uns mit der Konversation abwechseln, da einer immer Kaya hinterherflitzen muss. Die findet im Kinderwagen hocken und den Erwachsenen zuhören irre langweilig und rennt lieber um die Tische, klettert die kleine Treppe zum Strand runter, sammelt kleine Steinchen oder wirft Plastikstücke, die sie am Strand findet, ordentlich und mit größter Konzentration in den Mülleimer. Sehr süß. aber es muss eben auch immer einer mit und gucken, dass sie keinen groben Unfug macht...

22.07.2011

Alltag in San Sebastian

La Gomera. Da sind wir wieder. Ein bisschen fühlt es sich an wie nach Hause zu kommen. Alles ist so vertraut - die Marina, der große Felsen, der die Hintergrundkulisse bildet, die Palmen, der schwarze Strand, der Spielplatz, die Cafés,... Schön hier! Hier bleiben wir ein paar Tage und leben einen ruhigen, mit viel Arbeit und viel Freude ausgefüllten Alltag.

Morgens bereite ich das Frühstück vor. Wenn ich Glück habe, gucken mir zwei Paar große Augen dabei zu.


Dann gibt es was zu essen für alle - ob gekämmt oder nicht.


Dann ist Zeit zum Spielen und Toben und Tanzen.


Nach dem Mittagessen wird vorgelesen.


Dann geht es zum Spielplatz oder an den Strand. Und abends haben wir oft Gäste. Heute sind Babette und Steven, unsere walisischen Steg-Nachbarn, zum indischen Essen da. Schnell spalten sich die Tischgespräche in zwei (zugegeben klischeehafte) Hälften: Steven und Michi reden über Boote und Technik (wobei Steven regelmäßig ganz blass wird, wieder und wieder sagt: I hate clever people, trotzdem aber mehr und mehr hören möchte über Michis raffinierte Installationen an Bord), Babette und ich reden über Kinder, Männer und die Geheimnisse einer langen Ehe. Immerhin sind die beiden seit über 30 Jahren zusammen. Da kann man noch was lernen!

20.07.2011

Wartungsarbeiten

Michi wartet das Boot.
Ich warte das Baby.
Gemeinsam warten wir auf guten Wind.

Ein Tag auf La Gomera mit Yvonne und Lea


Guten Morgen!


Ausschau halten nach Fischen.


Spielplatzfreuden...


...und Strandvergnügungen.


Gepäcktransport zur Fähre.


Versteckenspielen in der Tickethalle des Fährhafens.


Gefunden! Buh!


Abschied! Oh weh! Bis ganz bald ihr Süßen!!!!

19.07.2011

Überfahrt von La Palma nach La Gomera

Yvonne und Lea sind pünktlich um 8 an der Marina - und kommen nirgends rein. Alles abgeschlossen! Wir ahnen davon nichts, selbst völlig mit den morgendlichen Vorbereitungen beschäftigt. Als sie schließlich 20 Minuten später an Deck stehen, erfahren wir, dass sie ganz abenteuerlich über einen der Zäune geklettert sind (Yvonne gibt echt alles für diesen Törn!). Und das mit fünfjährigem Kind. Und mit drei Taschen Gepäck: einer großen Reisetasche, Leas Handtasche und einer riesigen Kühlbox mit, wie sich rausstellt, Essen für etwa 4 Tage. Man weiß ja nie. Alle unsere Versuche, Yvonne davon zu überzeugen, einiges von ihren Massen an Gepäck hierzulassen, scheitern kläglich. Nur die Kaffeemaschine, die lässt sie schließlich da. Der Eieranpiekser, die neuen Regeln zur deutschen Rechtschreibung, Leas Vorschulheft, ein Beutel Luftballons, diverse Spielsachen, die Wassermelone und die Tupperdose vorgekochter Sauce Bolognese kommen mit.

Kaffee, Sicherheitseinweisung für beide Gäste, Anprobe der Kinderschwimmweste, Verstauen der Taschen - bis wir tatsächlich die Leinen los werfen, ist es 10 Uhr. Nicht zu ändern. Jetzt aber los! Kaya schläft in ihrer Babyschale im Cockpit, Yvonne hält Lea auf dem Schoß, Michi und ich machen das Ablegemanöver.

Kaum sind wir aus dem geschützen Hafenbereich und die ersten Wellen rollen unter uns durch, verziehen sich Lea und Yvonne, schon ein bisschen blass, nach unten und schlafen ein. Das kommt vielleicht von den Reisekaugummis... Ich bleibe oben. Als Kaya aufwacht, stecken wir sie in ihre Weste. Mit der Lifeline an meine Weste festgehakt, sitzt sie tapfer auf meinem Schoß und guckt verblüfft übers Meer. Inzwischen sind auch Lea und Yvonne wieder wach und versuchen noch einmal, bei uns im Cockpit zu sitzen. "Bauchweh", klagt Lea, und kotzt im nächsten Moment in die Pütz. Auch Yvonne ist völlig neben der Spur. Sie legen sich wieder unten in die Koje, die sie von nun an bis zum Anlegen in La Gomera nicht mehr verlassen werden, außer, um zwischendurch regelmäßig aufs Klo zu eilen und sich zu erbrechen. Auch zum Mittagessen (Brot und Kichererbsen) sind sie nicht zu überreden.

Mir geht es zunächst erstaunlich gut, aber als ich mal probiere, mich zu unseren Gästen unter Deck zu begeben, als dann Lea einem plötzlichen Übelkeitsanfall zufolge aufs Sofa spuckt, Yvonne mit Hand vorm Mund im Bad verschwindet und ich versuche, notdürftig die groben Stücke von Leas Kleidung und vom Sofabezug zu wischen, spüre auch ich bedenkliches Unwohlsein. "Michi", brülle ich. Ich merke, ich muss sofort an Deck, aber neben mir sitzt immer noch die blasse Lea in ihrem eigenen Erbrochenen und Kaya, die ich hier unten in der schwankenden Hölle auch nicht alleine lassen möchte. Die fliegt ja durch den Salon, wenn ich loslasse. "Michi", brülle ich wieder. Der steht im Cockpit, den Wind um die Ohren und hört nichts. "MICHI!" Jetzt steckt er den Kopf runter. Ich kann gerade noch Kaya an ihn übergeben bevor ich an Deck stürze und selbiges mit mir selbst draußen tue. Es ist halb drei. ETA La Gomera ca. 23 Uhr. Selbstmitleid hilft jetzt allerdings nichts. Verzweifeln auch nicht. Ich glaube, segeln ist die ideale Übungshilfe zum Training von Geduld und Ausdauer und Gelassenheit.

Kaya kommt wieder in ihre Rettungsweste und auf meinen Schoß und schläft direkt selig ein. Draußen lässt es sich aushalten. Wir verkrümeln uns auf den Cockpitboden, wo es eigentlich ganz gemütlich ist. Lea und Yvonne haben Kaugummis gekaut und schlafen auch schon wieder.



Wir schaffen das!

Unter Deck wimmern Lea und Yvonne, die sich, wenn sie sich mal dazu aufrafft zu sprechen, gar nicht darüber beruhigen kann, wie überrascht sie von sich selbst ist. "Ey, ich war noch nie seekrank. Noch nie! So also fühlt sich seekrank an." "Mir ist übel," murmelt Lea. Yvonne krallt sie sich und hastet zum Bad, wo sie von einer ungestümen Welle gegen den Klodeckel geworfen wird, der dann auch prompt abbricht. Ich höre den Krach, rufe, ob es allen gut geht, höre eine beruhigende Antwort und lehne mich wieder zurück. Das ist die Hauptsache, alles andere können wir uns später in Ruhe ansehen. Nach dieser Erfahrungen stellen wir den beiden die Pütz neben die Koje. Hätte man ja auch gleich dran denken können. Wieder was gelernt. Bei Seekrankheit Pütz in Reichweite halten.

So vergehen die Stunden.

Langsam wird es draußen kühler. Als dann sogar Gischt übers Cockpit spritzt und mir und Kaya eine Salzwasserdusche verpasst, beschließe ich, nochmal einen Versuch unter Deck zu wagen. Ich rubbel uns trocken und verziehe mich in die Vorschiffskoje. Hier sind zwar die Schiffsbewegungen ziemlich zu spüren, aber wenn man sich flachlegt, ist es ertragbar. Ich kuschel mich an Kaya und gemeinsam halten wir nun einfach mal durch. Irgendwann gegen 8 oder so schläft sie zu meiner Erleichterung ein. Für mich ist an Schlaf nicht zu denken. Aber Augen zu machen und einfach mal im Dunkeln liegen ist trotz allem Geschaukel und Gebretter ganz gut.

Gegen 10 bittet mich Michi nach oben zum Anlegemanöver. Ich klinke das Netz vor der Koje ein, so weiß ich das Kind in Sicherheit, und gehe an Deck. Lea und Yvonne schlafen. Ein Glück, die Ärmsten haben ziemlich was durchgemacht!

Die See ist plötzlich friedlich wie ein Schwimmbecken. Wie gleiten sanft Richtung Hafeneinfahrt von San Sebastian und wieder einmal spüre ich dieses berauschende Glücksgefühl, in einen Hafen einzulaufen. Nach langer, harter Fahrt. Nach Entbehrungen und Belastungen. Nach all dem schließlich an Deck zu stehen, den Wind im Haar, die kühle Abendluft so lebendig im Gesicht, geschäftig Fender anzuknoten und Festmacherleinen und stolz auf dem Vorschiff zu stehen, während das tapfere Schiffchen in den Hafen kurvt. Dann dem wartenden Marinero die Leinen zuzuwerfen, das Boot zu vertäuen, Motor aus - und Stille. Diese Stille nach einem Törn ist unbegreiflich schön. Ich atme durch.

Aber viel Zeit dafür ist nun nicht, es gilt, in den Ort zu flitzen und Pizza für alle zu holen. Michi und ich sausen los, während Yvonne, mittlerweile wach und fröhlich, bei den schlafenden Kindern bleibt. Obwohl die Pizzeria eigentlich gerade schließt (es ist 23 Uhr), macht man noch eine Ausnahme für uns und wirft uns noch was in den Ofen. Wir müssen ganz schön geschafft aussehen.

Dann sitzen wir an Deck, im Schein der kleinen Laterne aus Yvonnes Reisetasche, die voller Überraschungen steckt, knabbern Pizza und unterhalten uns bestens. Das Leben ist auf einmal wieder da. In uns allen. Um uns. Vor und hinter uns. Und ich könnte die ganze Nacht so sitzen und reden und das Leben lieben. Aber irgendwann ist ja auch mal Schlaf notwendig.

Als die Kinder, die natürlich beide nochmal wach werden, auch ihren ausgiebigen Mitternachtsimbiss verschlungen haben, alle Betten gemacht sind und so gut es geht aufgeräumt ist, fallen wir alle erschöpft in die Kojen. Was für ein Tag!

18.07.2011

Abschied von La Palma Teil II


Jetzt aber wirklich! Morgen werfen wir die Leinen los. Yvonne und Lea wollen um 8 kommen, damit wir früh starten können. Nun gibt es kein Zurück. Obwohl es mir zugegebener Weise sehr sehr schwer fällt. Ich bin gerade dabei, mich hier ganz hervorragend einzuleben. Von mir aus könnte jetzt einfach alles so weiter gehen: donnerstags zum Stammtisch, hin und wieder zum Pool vom Club Nautico, zwischendurch die anderen zu lustigen Unternehmungen treffen, nochmal bei Benno und Helga vorbeimarschieren und mit ihnen Kaffee schlürfen, abends mit Joe und Tina von der "Blue Pearl" einen trinken, manchmal Iris im Laden besuchen - jetzt, da wir so tolle Menschen kennen gelernt haben, fehlt mir gar nichts mehr. Aber wir wollen ja weiter, es gibt ja noch so viel zu entdecken! Und wir können ja jederzeit mal wieder kommen.

Heute also ist Abschiedstag. Endgültig. Vormittags gehen Kaya und ich zu Bekki, wo später auch Kirsten mit Karla zum Tschüßsagen vorbeischaut. Wir genießen einen herrlichen Vormittag in ihrem liebevoll selbst ausgebauten Häuschen und dem witzigen Garten mit Plantschbecken für die Kinder. Kaya ist begeistert. Ich auch. Bekki lebt seit einigen Jahren hier, sie ist damals ihrer Mutter gefolgt, die schon vor 20 Jahren die Zelte in Deutschland abgebrochen und hier wieder aufgebaut hat. Nun wohnen sie auf einem gemeinsamen Grundstück mit zwei Häuschen, beide mit ganz viel Liebe und künstlerischem Feingefühl gestaltet. Bekkis Mann Thomas hat aus der fast völlig zerfallenen Ruine (sie zeigt mir Fotos von früher - unglaublich!) rausgeholt, was niemand damals erwartet hätte. Er ist Handwerker und weiß, was er tut. Das sieht man nun auch. Jeder Raum ist genial, unkonventionell, urgemütlich. Bekkis Mutter, Britta, ist gelernte Holzbildhauerin und hat Balken und Türen grandios verziert, kleine Statuen gestaltet und ihren eigenen Teil des Grundstücks so eingerichtet, wie es eben nur Künstler können. Ich bin ganz verliebt - in diesen Lebensraum und in diese Menschen hier. Nike und Kaya spielen nackt im Plantschbecken, Bekki und ich dösen in der Sonne und kraulen Kosmo, ihren "kniehohen" Hund, hinterm Ohr, während Mika und Zoe im Garten toben. Auch Mikas Halbschwester ist da, spielt manchmal eine Partie "Mensch-ärgere-dich-nicht" mit und zieht sich zwischendurch zum Lesen zurück. Zum Mittagessen bringt Thomas Pizza und wir sitzen alle, nun auch mit Kirsten und Karla, die noch dazugekommen sind, um den großen Esstisch in der Küche. Toll hier!

Aber irgendwann ist eben die Zeit des Abschieds, da hilft alles nichts. Als ich Kaya in ihrem Wagen den steilen Berg hinuntermanövriere, holpernd auf dem Kopfsteinpflaster, mich immer wieder umdrehend zu allen anderen, die winkend vor ihrem Auto stehen, als Zoe wieder und wieder "Tschüß Kaya!" ruft, kann ich die Tränen kaum zurückhalten. Mann, was werde ich euch vermissen!

Zum Trost gehe ich auf dem Rückweg zum Boot bei Iris im Laden vorbei. Sie verspricht, nach Ladenschluss noch einmal zu uns zu kommen, um sich richtig zu verabschieden. Und dann kommt ja morgen auch Yvonne mit. Ein Abschied in Etappen ist das. Und das ist gut so, das brauche ich auch, um nicht allzu trauig zu werden.

17.07.2011

Bei Kirsten und Christian

Um halb 7 holt uns Kirsten mit dem Auto ab. Ihr Häuschen liegt etwas außerhalb und weiter oben in den Bergen, da wären wir zu Fuß mal wieder nicht so leicht hingekommen. Toll, dass sie dann so selbstverständlich kommt und uns chauffiert! Als der Wagen in der staubigen Einfahrt zum Stehen kommt, kommen uns bereits barfuß ihre Kinder Karla und Teo entgegengerannt. Auch Kaya will nicht mehr auf meinem Arm bleiben (sie ist ja wirklich kein Baby mehr!), windet sich aus meinem Griff und wühlt prompt fröhlich im Staub. Papa panada. Dann tapst sie lachend und verdreckt neben uns her.

Das Haus liegt kuschelig um die Ecke versteckt, in lebenslustigem Orange strahlt es uns durch die üppigen Pflanzen der Einfahrt entgegen. Im Garten, den Kirsten schmunzelnd als "deutschen" Garten bezeichnet, vorwiegend wegen des gepflegten Rasens, dösen zwei Schaukeln in der Abendsonne, ein Trampolin wartet neben einem blauen, mit Sternen verzierten Moskitonetz auf Springer, Spielsachen liegen verstreut im Gras, auf dem Mäuerchen streckt sich ein Kater. Das ist eine Idylle!

Wir verbringen einen sehr schönen Abend hier, sitzen auf der Veranda und genießen Kirstens vegetarische Wokpfanne, sehen den Kindern beim Spielen zu und unterhalten uns. Das große, in verschiedenen Variationen immer wieder durchschimmernde Thema ist, wie gemeinsam leben. Sie leben hier, weil Christian schon seit 20 Jahren auf La Palma ist, hier einen guten Job als Wanderführer hat und kein Bedürfnis nach Ortswechsel verspürt. Kirsten hingegen würde gerne wieder arbeiten, sieht aber hier wenig Chancen und würde eigentlich auch gerne wieder nach Deutschland. Und dann sind da ja auch noch ihre Kinder, die nicht mehr ganz klein sind und hier bereits Freunde und Verwurzelungen haben. Schwierig.

Wie gemeinsam leben?

Die Frage bleibt. Und ich weiß, dass das eine der wichtigsten Fragen auch in meinem Leben ist. Was sicher ist: gemeinsames Leben will immer wieder neu austariert werden. Es gilt, nie aufzuhören, sich damit zu beschäftigen, was für wen gut und richtig ist und ob der gemeinsame Entwurf immer noch für beide passt. Weil das Leben weiter geht, weil jeder sich ändert, weil die äußeren Umstände sich ändern, weil Kinder größer werden, weil Bedürfnisse sich verändern. Was Michi und mich und Kaya betrifft: Im Moment spüre ich, wie gut uns allen der gerade gelebte Entwurf tut, auch wenn ich viel daran zu knabbern hatte. Aber ich weiß, dass wir wachsam bleiben müssen und aufmerksam für Veränderungen. Das ist anstrengend, aber es ist auch eine großartige Aufgabe. Vielleicht eine der großartigsten: gemeinsames Leben aktiv und mit Achtsamkeit zu gestalten.

16.07.2011

Aus unserem Alltag

Den Vormittag verbringen wir an Bord mit den üblichen Haushalts- und Kayatätigkeiten. Und nach dem Mittagessen ist erstmal Siesta. Wir lungern auf den Sofas rum, Kaya flitzt durch den Salon und sortiert ihre Duplosteinchen immer wieder neu und Michi liest vor. Es hat sich schon beinahe zur festen Routine entwickelt, dass nach dem Essen Vorlesezeit ist. Zuletzt haben wir so Hugo Wehners "Tagedieb und Taugenichts" gelesen (sehr zu empfehlen; der lebendig erzählte Bericht einer Abenteuersegeltour in den 70er Jahren mit wechselnder Crew und Honigbär an Bord). Jetzt ist Wilfried Erdmann mit "Mein Schicksal heißt Kathena" dran. So verfolgen wir in regelmäßigen Häppchen die mutige Einhandweltumsegelung Erdmanns, die zu seiner Zeit (er war der erste Deutsche, der sich das zutraute) eine ganz andere Kategorie von Abenteuer war als heute. Michis Bordbibliothek besteht im Wesentlichen aus Segelgeschichten - ich glaube, da muss ich demnächst mal für etwas mehr Vielfalt sorgen. Vielleicht mal einen Thomas Mann darunter schummeln oder so. Aber die Abenteuer lesen sich auch spannend.

Bevor wir schließlich abends von Kirsten abgeholt werden, bei der wir heute eingeladen sind, marschiere ich noch mit Kaya im Kinderwagen den ganzen weiten (und vor allem sehr steilen!) Weg zum Supermarkt, um unsere Windelvorräte aufzustocken. 300 Windeln, Vorrat für ca. 2 Monate, schleppen wir mühsam zurück an Bord, wo Michi sie sorgfältig verstaut.

15.07.2011

Stammtisch


Jeden Donnerstag treffen sich Kirsten, Bekki, Iris und andere zum Stammtisch bei "La Placeta", einem malerisch gelegenen Altstadt-Café. Heute sind wir mit dabei. Und lernen so Anina mit ihren Kindern Milan und Frida sowie Yvonne mit ihrer Tochter Lea kennen. Yvonne ist von Anfang an hellauf begeistert von unseren Segelplänen. Das wäre auch ihr Traum gewesen, mit der Familie um die Welt zu segeln! Sie sei früher schon immer viel mit ihrem Vater gesegelt, sie liebe das Meer und das Segeln! Ob sie nicht seekrank würde, frage ich, da ich immer noch nicht begreife, wie man das Segeln an sich so sehr lieben kann. "Bouncing around in the dark", wie Mark einst sagte, "Nothing I like about it!". Nein, nie. Seekrank sei sie noch nie wirklich gewesen. Ein bisschen aus Spaß sage ich: "Dann komm doch mit. Wir fahren Sonntag nach La Gomera." "Ehrlich jetzt?" "Klar." "Mach ich!" sagt sie und flippt aus vor Vorfreude. Was für ein Geschenk! Sie darf segeln gehen! Ich genieße ihre Freude, aber verstehe sie nicht. Das Leben an Bord, dieses freie Zigeunerleben, dass man das lieben kann, verstehe ich langsam, obwohl auch das irre anstrengend sein kann. Aber das Segeln selbst, das Geschaukel, das Ausgeliefertsein an Wind und Welle ohne mal eben sagen zu können: Jetzt würde ich gerne mal anhalten und Pause machen - das ist für mich das Übel, das ich in Kauf nehme, um alles andere erleben zu können. Dass man das alleine so sehr lieben kann, dass man alle Hebel in Bewegung setzen würde, um mal einen Tag mitschaukeln zu dürfen, das begreife ich nicht. Yvonne telefoniert, organisiert eine Vertretung für ihren Job am Montag, organisiert ihre Rückfahrt mit der Fähre Montagabend, und freut sich dabei wie eine Schneekönigin. Unglaublich! Aber schön. Nun fahren wir wieder mit Crew! Yippieh!

Während wir Organisatorisches besprechen, spielt Kaya mit den anderen Kindern. Vor allem Bekkis Tochter Zoe kümmert sich ganz rührend um sie, trägt sie mit sich rum und zeigt ihr den Brunnen und die Tauben. Sehr süß!

Mit Kirsten verabreden wir uns noch für morgen Abend, dann löst die Runde sich auch schon wieder auf.

Nachmittags sind Kaya und ich mal wieder auf dem Spielplatz, wo sie einen neuen Verehrer findet. Der kleine Jaime lässt sie nicht mehr aus den Augen. Er hat eine Wasserflasche, die er für sie über den Boden rollt. Kichernd wankt Kaya hinterher und holt sie ihm, damit er sie wieder wirft. Ich muss unwillkürlich an junge aportierende Hunde denken... Die beiden haben unglaublichen Spaß. Toll, dass sich Kinder mit einer einfachen Wasserflasche so lange und so interessiert mit so viel Freude beschäftigen können!

Benno und Helga

Das heutige Highlight ist der abendliche Besuch von Benno und Helga auf Padma. Wir machen marokkanischen Abend mit Tajine und Minztee. Lecker! Und als Gastgeschenk bekommen wir eine Zucchini in der Größe eines Fußballes. Eines länglichen Fußballes.

14.07.2011

Segeltörn mit Bekki

Da heute perfektes Segelwetter ist, fahren wir einfach mal ein bisschen raus. Ein paar Stunden nur, raus aus dem Hafen, am Wind hoch, ein Stück an der Küste lang und mit dem Wind zurück. Als Bekkis Neffe Mika neulich zu Besuch war, wollte er so gerne mal mit dem Boot fahren. Also fragte ich sie gestern über der Pizza, ob sie mit ihm mitkommen würde. Zu meiner Überraschung ist sie Feuer und Flamme und ruft gleich seine Mutter an, ob er darf. Er darf nicht. Aber sie möchte gerne mit. Das überrascht mich noch mehr. Und freut mich!

So steht sie also heute morgen um 10 bei uns am Steg. Michi erklärt ihr das Boot und gibt ihr eine ausführliche Sicherheitseinweisung, während ich Kaya versorge und aufräume. Gegen 12.30 Uhr werfen wir dann endlich die Leinen los. Kaya schläft selig in ihrer Autoschale, Bekki klammert sich im Cockpit fest, ich kann in aller Ruhe beim Ablegemanöver helfen und darf ans Ruder, um Padma aus dem Hafen zu manövrieren. Auch Bekki legt mit Hand an, knotet Fender ab und schießt Tampen auf. Toll, mal mit Crew zu fahren! Als Kaya wach wird, stecken wir sie in ihre Rettungsweste und setzen sie Bekki auf den Schoß. So kann ich segeln üben, ohne mich dauernd um das Kind sorgen zu müssen. Fantastisch ist das! Bekki sieht ein bisschen blass aus, hält aber tapfer durch. Später allerdings sagt sie, ja, es sei eine Erfahrung gewesen, aber wiederholen müsse sie die nicht. Und zu den Kap Verden segeln (worauf sie die ganze Zeit so neidisch war, das wolle sie unbedingt auch machen!) habe sie sich romantischer vorgestellt. Der Traum habe sich heute ein bisschen relativiert.



Trotzdem genießen wir den Ausflug und die schönen Blicke auf Santa Cruz. Gegen 5 sind wir wieder im Hafen, Bekki wankt blass von Bord, wir machen Klarschiff. Später gehen wir zu Joe und Tina auf die "Blue Pearl" zum Weintrinken, während Kaya in ihrer Koje schlummert, das Babyphone alarmbereit neben sich. Aber es ertönt kein Alarm und wir können ungestört einen sehr lustigen Abend verbringen. Das Segelzigeunerleben hat mich wieder. Ich bin glücklich.

13.07.2011

Abschied von La Palma Teil I

Unser letzter Tag auf La Palma - morgen wollen wir weiter. Iris hat genialer Weise angeboten, vormittags mit uns zum Supermarkt zu fahren und nach einem Kindersitz für´s Cockpit zu suchen. Kindersitz finden wir keinen, dafür aber nutzen wir die Gelegenheit, mit einem Auto am Supermarkt zu sein, um mal eben für die nächsten drei Monate Proviant zu shoppen. Nicht kleckern, klotzen. Der Einkaufswagen bricht beinahe zusammen unter der Last von kiloweise Spaghetti, Bohnen, Reis, Wasser, Olivenöl, Babygläschen etc. Wo soll das wohl alles hin, frage ich mich, und bin später wie immer ganz erstaunt, wie all die Mengen an Containern und Flaschen und Dosen so nach und nach in Padmas Fächern verschwinden.

Für abends haben wir ein Abschiedsessen in unserer Lieblingspizzeria organisiert. Alle wollen kommen: Iris, Bekki, Kirsten, Nicole und Eric mit Anna und Eva. Doch mittags merkt Michi, dass er am Mittwoch eine Telefonkonferenz mit der Firma hat, die den ganzen Tag dauern kann. Wir entscheiden, in Anbetracht der neuen Situation doch lieber noch hier zu bleiben, wo ich Menschen kenne und mich schön mit Kaya beschäftigen kann, während er den ganzen Tag telefoniert. Das Abschiedsessen allerdings sagen wir nicht ab. Wenn schon mal alle zusammenkommen, muss man das nutzen.

Zur Feier des Tages geht Michi vor dem Essen (Tusch!) zum Frisör. Schade, dass wir keine "Vorher/Nacher"-Fotos gemacht haben. Aber auf kommenden Blogbildern kann man ja mal dezent auf seine neue Frisur achten.

Wie versprochen kommen dann auch wirklich alle unsere neuen Freunde abends in der Pizzeria zusammen. Schön ist das, richtig richtig schön. Und tatsächlich haben sich einige von ihnen von ihren Familien mit dem Argument losgerissen, dass das ja heute die letzte Gelegenheit sei, uns nochmal zu sehen und dass sie kommen müssten. Und nun verraten wir kleinlaut, dass wir doch noch ein bisschen bleiben...Ätsch!

12.07.2011

Flohmarkt in Argual

Michi will mal wieder in Ruhe am Boot basteln, im Motor rumkriechen, schleifen, kleben, Dreck machen. Da gehen Kaya und ich lieber auf den Flohmarkt. Der ist heute auf der anderen Seite der Insel in Argual. Nicole und Eric hatten davon erzählt und hatten mir angeboten, uns am Busbahnhof in Nachbarort Los Llanos abzuholen und gemeinsam hinzugehen. Au ja! Also kommt Kaya in ihren Tragerucksack, wir klettern in den Bus und los geht´s. Wenn man einen festen Termin hat, beginnt der Tag viel früher - so sitzen wir schon um 10 im Bus, anstatt bis 3 auf dem Boot vor uns hin zu kruschen.

Es freut mich, Nicole, Eric, Anna und Eva wiederzusehen. Urlaubsbekanntschaften zeichnen sich meistens durch ihre Flüchtigkeit aus. Ein Gespräch am Strand. Ein kurzer Austausch mit einem Sitznachbarn im Bus. Zwei oder drei Worte über die Kinder auf dem Spielplatz. Und dann sieht man sich nie wieder. Aber mit diesen vieren ist es anders. Nicht nur, dass wir schon bei unserem ersten Gespräch gemerkt haben, dass da etwas da ist, das uns verbindet, wir hatten und haben nun auch Gelegenheit, uns häufiger und in verschiedenen Kontexten wiederzusehen - bei ihnen, bei uns, auf dem Flohmarkt. Es ist schon fast ein bisschen geteilter Alltag. Das vertieft den Kontakt und ich fühle mich schon sehr vertraut mit ihnen, sehr gut aufgehoben. Als würden wir uns schon viel länger kennen.

Der Flohmarkt ist malerisch, farbenfroh, lebensfroh. Vor der Kulisse eines alten Dorfplatzes (im Hintergrund Palmen und Hügel) kuscheln sich ein paar Stände zusammen, es wird getrommelt, bunte Hippiehemdchen wehen im Wind. Hier bin ich richtig. Eva, Nicole und ich kaufen uns jeder ein Glöckchenarmband - so erinnnert mich immer etwas an sie. Das berührt mich. Nach abschließendem Imbiss und Kaffee bringen sie mich wieder zum Bus.

Zuhause an Bord wird allerdings noch gewerkelt, so dass Kaya und ich uns nochmal auf den Spielplatz verziehen. Das Leben auf so engem Raum verlangt viele Kompromisse. Nach Hause zu kommen und nicht rein zu können - das ist schwer, finde ich. Aber wie mit so vielem, das ich schwer finde, versuche ich auch hier, die Herausforderung zu sehen. Unbequemlichkeit als Chance.

Abends kommen Iris und Elias mit ihrer Tochter Leony zum Essen - Michi hat lecker indisch aufgetischt. Auch wenn sie leider nicht lange bleiben können, weil Leony schon ganz müde ist und hier schlecht schlafen kann, ist es trotzdem ein schöner Abend. Ich bin so dankbar für diese Menschen hier.

11.07.2011

Samstag mit Freunden

Die Morgende vergehen häufig sehr unspektakulär an Bord. Bis Kaya gestillt, gewindelt, das Frühstück hin und auch wieder weg geräumt, Geschirr gespült, Michi geweckt, Kaya wieder gewindelt und zum Vormittagsschlaf hingelegt und alles wieder aufgeräumt ist, ist es oft schon mittags. Dann gibt es erstmal Mittagessen und Siesta. Wenn die Leute fragen, was wir denn so den ganzen Tag auf dem Boot machen und ob uns nicht langweilig wird, wäre das die Antwort. Wir machen Kind und Haushalt. Wie andere auch. Total bürgerlich. Meistens beschäftigt mich das voll und ganz bis etwa 3 Uhr. Dann kann ich mir überlegen, was ich mit dem angebrochenen Tag machen möchte.

Heute wollen wir Iris besuchen, die in einem kleinen Touriladen in der Altstadt arbeitet. Seit ich diese Menschen hier kennen, fühle ich mich fast ein bisschen zu Hause. Mein Kind in den Wagen setzen und eine Freundin auf ihrer Arbeit besuchen. Jippieh! Das ist so ziemlich die Essenz von Heimat.

Es ist schön bei ihr. Kaya räumt alle Körbe und Regale aus, während wir versuchen, uns trotzdem entspannt zu unterhalten. Gut ist, dass Michi dabei ist, so können wir uns mit der Kinderaufsicht abwechseln. Dann kommen ziemlich viele Kunden und wir verkrümeln uns mit einer Verabredung für morgen Abend bei uns. Nächstes Ziel: der Swimming Pool vom Club Nautico. Obwohl es schon ein bisschen spät ist, wollen wir uns nicht das Vergnügen nehmen lassen, Kaya in ihrem Surfanzug wieder und wieder hochzuwerfen und beim Abfangen mit Schwung ins Wasser zu dippen. Das ist ein Spaß!! Jetzt aber ins warme Handtuch kuscheln und dann ab nach Hause.

Später schauen Joe und Tina von der Nachbaryacht "Blue Pearl" bei uns vorbei. Wir diskutieren das Für und Wider, ein Kind an Bord eines Schiffes großzuziehen. Joe, der eine zeitlang mit sozial benachteiligten Jugendlichen gesegelt ist, betont immer wieder, wie gut er dieses Leben findet und was für eine tolle Erfahrung es sein muss, so aufzuwachsen. Er wäre so gerne so aufgewachsen, sagt er, so gerne. Vielleicht sagt Kaya mal, sie wäre so gerne ganz anders aufgewachsen, wenn die Theorie stimmt, dass man immer das will, was man nicht hat. Aber vielleicht auch nicht. Ich sehe jedenfalls, wie sie sich entwickelt, wie sie morgens strahlt, wenn sie aufwacht, wie sie neugierig und unerschrocken auf neue Menschen zugeht, wie sie zunehmend sicherer in ihren Bewegungen an Bord wird, wie sie geduldig ausharren lernt, wenn ich mich mal nicht mit ihr beschäftigen kann oder wenn sie beim Segeln nur auf meinem Schoß sitzen kann. Was ich sehe, berührt mich. Ich glaube, sie lernt hier gerade ganz vieles ganz Wichtiges.

10.07.2011

Spielplatz von Santa Cruz de La Palma


Am frühen Abend ist Kayas Lieblingsbeschäftigung ein Besuch des Spielplatzes zwischen Marina und Altstadt. Hier ist ab 6 oder 7 abends immer ganz viel los! So viele lustige andere Kinder! Es ist toll zu sehen, wenn andere Kinder auf Kaya zukommen, mit ihr spielen, sie in den Arm nehmen oder an der Hand, mit ihr lachen...oder wenn Kaya neugierig auf die anderen zugeht und Kontakt sucht. Nicht immer wollen alle das, machmal sind die großen Mädchen ein bisschen genervt von dem kleinen Pumuckel, der ihnen dauernd hartnäckig hinterherstolpert und sie in den Arm zu zwicken versucht. Aber dann wissen sie sich schon zu wehren - und Kaya lernt, dass nicht jeder immer mit ihr spielt. Auch eine wichtige Erfahrung.



Aber manchmal sind die großen Mädchen auch ganz verliebt in den kleinen Pumuckel und wollen ihn gar nicht mehr hergeben.

09.07.2011

Neue Freunde!



Bekki, die ich auch neulich auf dem Spielplatz kennen lernte, kommt morgens mit ihren Töchtern Zoe und Nike und ihrem Neffen Mika auf einen spontanen Besuch vorbei. Hier ist plötzlich was los! Die Kinder toben unter und über Deck herum, klettern durch die Vorschiffsluke von der Koje aufs Deck und springen wieder zurück vom Deck durch die Luke auf die kuscheligen Polster. Toll!! Kaya teilt gerne ihren kleinen Spielplatz und ihre Bilderbücher mit den neuen Freunden.

Abends gegen halb 6 kommen Eric und Nicole mit Eva und Anna zum Essen. Michi kocht lecker mexikanisch, wir schlemmen, plaudern und spielen bis spät in die Nacht lustige Improtheaterspiele, während Anna in der Vorschiffskajüte pennt und Kaya in ihrer kleinen Babykoje. Das Leben macht in schöner Gesellschaft am meisten Spaß!

07.07.2011

Auf der Finca bei Nicole und Eric



Nicole und Eric, unsere neuen Freunde vom Strand, haben uns für heute zum Essen auf ihrer malerischen Finca eingeladen. Da das Anwesen fußläufig schwer zu erreichen ist, holt Eric uns mit dem Auto und bringt uns abends wieder nach Hause - toller Service! Die kleine Finca liegt wie hingepinselt auf drei Terrassen weit über dem Meer. Ein liebevoll angelegter Garten, ein Lebenswerk von Nicoles Vater, beherbergt Kakteen, Palmen, Orangenbäumchen, Rosmarinsträucher (zu Michis Entzücken), Zitronengras und alle möglichen lustigen exotischen Pflanzen. Über schlängelige Wege und verwunschene Treppchen lassen sich immer wieder neue Winkel und Blicke entdecken. Eine Hängematte schaukelt in der leichten Brise. Und immer wieder das Meer unter uns. Wow!

Der Tisch wird auf der schattigen Veranda gedeckt. Unter südländischen Bögen sitzen wir, die kleinen Kinder auf dem Schoß, mit Blick zur großen Palme vor uns. Wie im Film. Nur besser, weil wirklich. Nicole hat ein liebevolles Essen (rein vegetarisch) gezaubert - und zu Erics großer Überraschung reichen sogar die Kartoffeln... :)

Nach dem Essen ziehen wir uns in den Wohnraum zurück, lümmeln auf den gemütlichen alten Dielen, knabbern Kokosnuss und Wassermelone und gucken Anna und Kaya zu, die für viel Unterhaltungsprogramm sorgen. Später, kurz bevor wir gehen, stehen wir noch einmal alle auf der Terrasse unter der großen Palme, Nicole löscht alle Lichter, und wir starren in die Sterne über uns. Durch die majestätischen Palmwedel sieht der Sternenhimmel noch abgefahrener aus. Was für ein schöner Abend! Danke euch allen!

06.07.2011

Grand Jubilee

Auf der "Grand Jubilee" ist Party. Eine ausgelassene Dame tanzt an Deck, Musik schallt herüber. Als Michi von der Toilette zurück kommt, verkündet er fröhlich, wir seien auch eingeladen. Mit Kaya auf dem Arm und ihrem Mittagsbrei in der Hand (den bekommt sie dann eben dort) ziehen wir neugierig und kontaktfreudig auf das beeindruckende Schiff um. Tommy, der Skipper, begrüßt uns fröhlich, und erst ein bisschen zu spät, als wir uns schon gesetzt haben und Kaya zu füttern begonnen haben, wird mir klar, dass alle hier schon ziemlich tief ins Glas geschaut haben. Eine normale Unterhaltung ist kaum mehr möglich. Wir lernen Roy, Tommys zweite Hand an Bord, kennen und erfahren, dass er bereits den Atlantik mit einem Ruderboot überquert hat. Aber viel lässt sich von ihm über diese Tour nicht in Erfahrung bringen. (Wir schauen uns dafür später eine Doku darüber auf YouTube an...Schon interessant!) Wäre schön gewesen, auch mit ihm persönlich darüber zu sprechen. Doch die Jungs haben offenbar die Nacht bereits durchgefeiert und bisher (es ist ca. 14 Uhr) noch nicht geschlafen. Während Roy sich mit der Dame zurückzieht, erklärt uns Tommy sehr weinselig, wie das mit dem Krieg eigentlich wirklich war und dass Hitler doch eigentlich gar kein schlechter Mann war. Egal was wir sagen, seine Reaktion ist immer: "You know what? You only say that because you have been brainwashed!" Tja, da fehlen mir dann auch die Worte. Er bricht in Tränen aus darüber, dass wir "ihn einfach nicht verstehen". Er ist Däne, aber wenn er Deutscher wäre, er wäre so stolz! Wie traurig, dass wir das einfach nicht verstehen. Wir machen den Versuch eines Ortswechsels und ziehen rüber in die Pizzeria. Als aber auch hier die weinselige Stimmung sich nicht ändern lässt, die Gespräche ausfransen und niemand zum Bestellen kommt, verabschieden Michi und Kaya und ich uns dezent. Wir werden ja auch um 5 schon wieder von Eric abgeholt, bis dahin müssen wir schließlich reisefertig sein...

War auf jeden Fall ein Erlebnis, mal auf der "Grand Jubilee" gewesen zu sein. Vor allem die kurze Bootsführung, die wir bekamen, durch den riesigen Salon mit seinen endlosen freien Flächen, durch die vielen Kojen mit richtigen Schränken und Fenstern, war beeindruckend.


Trotzdem ist es auch schön, wieder zuhause auf "Padma" zu sein. Zuhause ist eben zuhause. Und Größe ist einfach nicht alles.

05.07.2011

Alltag in der Marina

“Grand Jubilee” ist eingelaufen. Eine riesige Yacht, gefühlte 5mal so groß wie Padma, unter britischer Flagge. Wir kommen neugierig näher und lernen flüchtig Tommy, den Skipper, kennen. Sie sind nur wenige Tage hier, aber es wird sicher noch eine Gelegenheit geben, sich zusammenzusetzen.

(Bild aus der Internetseite der "Grand Jubilee")

Am frühen Abend kommen Christian und Kirsten, die Flohmarktverkäufer von gestern, mit ihren Kindern zu Besuch. Carla und Teo studieren eifrig Kayas Bibliothek, während wir uns lustig unterhalten. Es gibt tolle Menschen hier, man muss sie nur finden...


04.07.2011

Sonntagsvergnügungen

Flohmarkt vor der Marina. Bei der gestrigen Runde haben wir erfahren, dass heute Flohmarkt sein soll – direkt vor unserem Bug, sozusagen. Und als wir Kayas roten Kinderwagen durch das Eingangstor auf den großen, heute mit bunten Ständen geschmückten Parkplatz schieben (Michi ist erstaunlich früh aufgestanden und mit dabei!), entdecken wir direkt einige unserer neuen Freunde von gestern Abend. Wie gesellig! An einem Stand mit Kindersachen bleiben wir eine Weile stehen, kaufen Kapuzenpullis, neue Sandalen und eine Latzhose für Kaya und kommen dabei mit den (deutschen) Besitzern des Standes ins Gespräch, mit denen wir schnell Freundschaft schließen: Christian, Wanderführer auf La Palma, Kirsten und ihre beiden Kinder Teo und Carla. Wir laden sie für morgen aufs Boot ein. Während wir uns noch unterhalten, kommt Marion (von gestern Abend) dazu, entdeckt, dass Kaya sehnsüchtig mit einem bunten Stoffball hantiert, und schenkt ihn ihr. Na, die hat ja heute abgestaubt! Den Rest des Vormittags verbringen wir mit Karl-Heinz, einem Seebär, der viel zu erzählen hat, bei Kaffee und frisch gepressten Säften mit Blick auf das bunte Treiben.

Am frühen Abend nehmen wir einen Bus nach Cancajos, einem kleinen Strandörtchen nicht weit von Santa Cruz. Iris, die ich neulich auf dem Spielplatz kennen lernte, wollte mit ihrer Tochter Leony auch da sein. Der Ort selbst ist nicht nennenswert interessant, im Wesentlichen eine rein für touristische Zwecke erbaute Wohn- und Abfütteranlage mit Hotels, Shops, Restaurants. Aber die Küste hier ist schön. Zwischen zwei schwarzen Sandbuchten umschließen die Felsen eine kleine Minibucht, einen natürlichen Pool ohne Wellen oder gefährliche Strömung, an der Kinder ungestört plantschen und toben können. Hier machen wir es uns gemütlich. Iris ist noch nicht da, dafür aber lernen wir prompt unsere Strandmatten-Nachbarn kennen. Eine deutsche Familie, die regelmäßig nach La Palma kommen, weil sie hier ein Häuschen haben. Eric und Nicole mit Erics Tochter Eva, die schon zehn ist, und der gemeinsamen Tochter Anna, 6 Monate. Es gibt viel zu erzählen und auszutauschen, über die Kinder, über uns, über das Segeln oder über das Leben auf La Palma. Wir verstehen uns prächtig und verabreden, uns in den nächsten Tagen gegenseitig zu besuchen. Iris taucht auch auf mit Leony, setzt sich zu uns und eh man sich versieht, hat man plötzlich Freunde in diesem fremden Land. Sesshaftigkeit in Marburg kann warten. Jetzt bin ich erstmal hier. Und glücklich!

Captain's Dinner

Benno, TO-Stützpunktleiter in Santa Cruz, und seine Frau Helga haben uns für heute Abend eingeladen. Das ist die Rettung! Die letzten Tage waren katastrophal. In mir sträubte sich jede Faser gegen das Boot und das Leben hier. Mir fehlten meine Freunde und meine Familie, überhaupt das soziale Netz, an das ich mich in den letzten sechs Wochen in Deutschland so gewöhnt hatte. Alles war zu eng und zu kompliziert und zu ungemütlich und vor allen Dingen zu einsam. Ich empfand das Boot als Gefängnis, konnte ihm plötzlich gar nichts Liebenswertes mehr abgewinnen, wusste nicht, wohin mit meinen Dingen, wohin mit der lauffreudigen kleinen Kaya, wohin mit mir. Manchmal schnappte ich mir das Kind und ging nach draußen. Dann schlenderte ich durch die malerische Altstadt, an der ich nur sah, dass sie keinen mir vertrauten Menschen beherbergte, und deren kulissenhafte Schönheit mich beinahe wütend machte. Das half nichts. Oder ich saß in einem der zahlreichen Cafés – um auch hier nur umso intensiver zu spüren, wie traurig es ist, niemanden zu haben, der mit einem Kaffee trinken und plaudern könnte.

Michi gab sich alle erdenkliche Mühe, aber auch auf ihn war ich wütend, hatte er mich doch in diese soziale Isolation gelockt. Schließlich war er der Böse, der Schuldige, von dem lasse ich mich doch nicht aufheitern! Die Stimmung an Bord war zum Bersten angespannt. Ich suchte schon nach Flügen nach Frankfurt und nach WGs mit Kindern in Marburg.

Dann kam Benno.

Michi hatte ihn ganz am Anfang mal angerufen, weil er die Anschrift einer Werkstatt brauchte, Benno war gekommen und hatte ihn hingefahren. Ein paar Tage später stand er mit Helga am Steg, einen Beutel Avocados aus dem eigenen Garten in der Hand. Und nun sind wir bei ihnen zuhause zum Essen eingeladen. Ich freue mich auf diesen Abend wie auf Weihnachten. Und es ist dann auch mindestens so schön! Außer uns sind noch weitere Gäste da, erfahrene Kapitäne, deutsche Auswanderer, interessierte, lustige Menschen, mit denen wir schnell ins Gespräch kommen. Auch Kaya ist glücklich. Sie erobert jeden Raum der großzügigen Finca, schiebt ihr kleines Auto über die Terrasse und ist überhaupt der Star des Abends, zu dem die geballte Aufmerksamkeit immer wieder hingezogen wird. Helga hat köstlich gekocht und so sitzen wir also vor unseren Tellern dampfender Kürbissuppe, auf der bunte Kapuzinerkresseblüten schwimmen, blicken gegen Palmen in den Abendhimmel und genießen den Moment. Mit einem Mal ist das Leben auf dem Segelboot gar nicht mehr so schlimm, fast sogar ein bisschen schön...