25.11.2012

Babypause

Nachdem Nina und Kaya abgeflogen sind, habe ich genug Zeit für alles, was notwenig ist, bevor ich das Schiff lange alleine lasse. Ich gehe zu Hafenamt und Zoll und regle die Papiere. Ich mache noch ein paar Reparaturen und überführe Padma dann zur Marina "Pier Salvador" im Stadtteil Ribeira. Die liegt in einer kleinen Bucht, abgehend von der großen Bucht, wo garantiert keine Wellen hineinkommen. Da liegt das Boot an einer Mooring, bewacht und gut geschützt, sicher vor Wetter und von Unmenschen. Ich packe an Bord alles ein und weg, zum Schutz vor UV-Strahlung und langen Fingern.



Schließlich nehme ich das Taxi zum Flughafen und bin eine Nacht später in Frankfurt, wo mich Nina in Empfang nimmt.
Nun machen wir Pause vom Segeln, warten auf das neue Baby, und bemühen uns um ein Traumhaus für unsere Familie.

09.11.2012

Letzter Tag auf Itaparica

Itaparica - da sind wir wieder. Wie vertraut alles ist! Wie schnell es gehen kann, sich irgendwo zuhause zu fühlen. Nach all unseren Abenteuern ist der Hafen von Itaparica fast schon ein Stück Heimat, die uns freundlich aufnimmt und in deren Geborgenheit ich mich wohlfühle. Hier kennen wir uns ja schon so gut aus, wissen, wo alles ist, was man zum täglichen Leben braucht, kennen nette Menschen auf Booten in der Marina und in Häusern im Ort... Schön ist das! Und traurig zugleich, weil wir nur noch einen Tag hier haben. Morgen segeln wir rüber nach Salvador, werden dort unsere letzte brasilianische Nacht verbringen und am Mittag des nächsten Tages zum Flughafen fahren.

Ankunft und Abschied - immer, immer wieder.

Gut so, sagt auch Hermann Hesse in seinem Gedicht "Stufen", das mir immer wieder im Ohr ist, wenn ich drohe, über einen Abschied zu sehr zu trauern:

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.


Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.


Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!


Wohlan denn - wir feiern mit Kokosnüssen, dass wir lebendig dem Ruf des Lebens folgen dürfen.


Am Nachmittag kommt Bianca auf dem Surfbrett vorbei. Da gibt es kein Halten, da will Kaya unbedingt auch ins Wasser. Also flugs in die Badekleidung, Badeleiter runtergeklappt, Schwimmflügel an und ab ins Meer. Cool, wenn die Freunde per Surfbrett zu Besuch kommen.


Auch das fühlt sich wunderbar lebendig an, frei, ungezwungen. Vom Deck direkt in die warmen Fluten springen zu dürfen - was für ein Luxus! Und Kaya strampelt, was das Zeug hält, ganz alleine im großen Meer. Wenn sie so weiter macht, kann sie bestimmt bald super schwimmen.

Abends sind wir alle bei Brian und Marta auf dem Boot eingeladen, um die gerade fertig gestellten, von Brian selbstgebauten Kojen der Kinder zu feiern. Kaya verschwindet sofort mit Bianca und Seamus im Inneren des Schiffes, überglücklich, die beiden wiederzusehen. Die ganze Reise über hat sie immer wieder gefragt: "Wo die Bianca? Wo der Seamus? Will zu Bianca und Seamus gehen!" Endlich hat sie ihre Freunde wieder - wenn auch nur für einen Tag.

Wir nehmen Abschied an diesem Abend - von Brian, Marta und den Kindern, von der "Mollymawk"-Familie, von Itaparica, von dem Zigeunerleben an Bord, von der Hitze Brasiliens, von den Anstrengungen der langen Reise, von Kokosnüssen und Mangos, von Palmen und Stränden, von allem, was dieses Abenteuer ausmachte. Aber wir sehen, dem Ruf des Lebens folgend, gespannt und glücklich einem neuen Abenteuer entgegen: unserem zweiten Kind!

Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

08.11.2012

Überfahrt nach Itaparica

Es gibt keine Fotos von diesem Tag. Wer wäre auch in der Lage gewesen, welche zu machen?

Wir starten gegen 5 Uhr morgens und cruisen mit der auslaufenden Flut aus der Bucht von Camamú raus aufs wilde Meer. Der Wind bläst uns auf die Nase, die Wellen schlagen uns entgegen, hier draußen ist sogar die Strömung gegen uns. Kaya wacht auf mit blassen Wangen und den Worten: "Ich habe gepuckt." Ich ziehe sie aus ihrer Koje, was bei dem Geschaukel schon eine Kunst für sich ist, Kissen und Haare sind vollgespuckt, sie hängt schlapp und bleich in meinem Arm. Oh weia! Und wir haben noch etwa 12 Stunden Segelei vor uns, schätzt die aktuelle Berechnung! Was tun wir uns hier eigentlich immer wieder an?

Die nächsten Stunden bestehen im Wesentlichen aus Durchhalten, extremer Übelkeit, immer wieder mal Kotzen, Kaya trösten und halten, Kayas Erbrochenes Wegwischen sowie aus der Schreckensnachricht, dass die Berechnung falsch war, weil die Strömung uns so sehr bremst. Wir werden keine 12 Stunden brauchen, sondern mindestens 20.

Nicht verzweifeln, Nina! Das ist das große Übungsfeld jetzt. Gedanken wie: "Das schaffe ich nicht" oder "Ich will hier weg" gar nicht erst zulassen. Präsent bleiben. Zuversichtlich bleiben. Positives Denken üben. Andere Frauen, ich selbst vielleicht auch bald, liegen oft 20 Stunden in den Wehen - das ist auch hart. Im Schwangerschaftsyoga habe ich gelernt, die Wehen nicht zu verneinen, nicht zu verurteilen, sondern zu begrüßen mit dem Gedanken: "Jede Wehe bringt mich meinem Kind näher!" Das versuche ich jetzt auch. Bei aller Übelkeit, die mir fast die Sinne raubt, bemühe ich mich, die Wellen zu lieben und zu denken: "Jede Welle bringt uns dem Zielhafen näher." Es gelingt nicht immer.

Zum Glück hat Michi kein Problem mit Seekrankheit und navigiert uns sicher Richtung Norden. Ich kann nur im Cockpit liegen und wimmern. Kaya fällt damit auch in seinen Verantwortungsbereich. Er macht das prima! Und Kaya selbst macht es auch prima, hat sich nach ein paar Stunden an das Geschaukel gewöhnt und spielt süß.

Irgendwann wird es dunkel. Ich liege nun schon, fällt mir auf, seit ca. 12 Stunden fast unverändert auf der Bank im Cockpit. Auch das will geübt sein. Auch das gilt es auszuhalten. Michi schläft ein bisschen, ich kann ja gut Wache schieben, da ich es sowieso nirgendwo anders als hier draußen aushalten könnte.

Gegen 22 Uhr übermannt mich schließlich die Müdigkeit. Michi übernimmt im Cockpit, ich falle im Salon in einen unruhigen, schaukeligen Schlaf. Als ich wach werde, liegen wir quasi schon vor Anker vor Itaparica. Es ist 3 Uhr morgens. Respekt, Michi!

Wir haben 22 Stunden gebraucht, hart am Wind, und haben bei einer Windstärke von 18 Knoten nur 3,5 Knoten Fahrt über Grund gemacht. Das letzte Stück bis zur Bucht hat uns der Motor grummelnd gegen den Wind geschoben. Was für ein Kampf! Aber jetzt sind wir da! Völlig erschöpft kriechen wir in unsere Vorschiffskoje.

Wie schön, angekommen zu sein! Vor allem nach einer solchen Tour!

07.11.2012

Letzter Tag im Paradies

Es hilft ja alles nichts. Kaya und ich haben Flugtickets für den 11.11. zurück nach Frankfurt. Das heißt, heute Abend zurück aufs Boot, morgen Überfahrt nach Itaparica, ein letzter Tag mit Brian, Marta und den Kindern, am 10.11. dann nach Salvador.

Ein bisschen Wehmut ist jetzt schon da. Hatte mich gerade eigentlich ganz gut eingelebt...

Aber noch haben wir einen ganzen Tag vor uns, hier im Paradies des müden Kriegers. Er beginnt mit Wetterdaten checken. Wie steht denn morgen der Wind?


Die Internetverbindung ist irre langsam, aber irgendwann wissen wir: Der Wind ist uns nicht so wohl gesonnen, wie wir erst dachten. Genaugenommen genau auf die Nase. Na prima. Itaparica ist weit. Und Wind und Welle gegenan zu haben, macht die Fahrt weder angenehmer noch schneller. Aber es hilft ja nichts. da müssen wir dann eben durch. Wir tanken ein letztes Mal Kraft und Ruhe am Strand mit unseren Gastgebern.






Zur einbrechenden Dunkelheit fährt uns Fabio dann zur Ankerstelle. Und plötzlich sind wir wieder im Dinghy und rudern auf Padma zu. Wieder ein Abschied. Wieder ein bisschen traurig. Langsam glaube ich, dass das Reisen ein Spiegel des Lebens ist. Schließlich besteht Leben auch aus tausend kleinen Abschieden. Immer wieder. Alles verändert sich ständig, nichts bleibt wie es war, alles fließt. Manchmal ist das mehr, manchmal weniger spürbar. Reisen, so glaube ich, hilft, diese ständigen Abschiede zu üben und zu akzeptieren als Teil einer lebendigen Welt. Ich bin dankbar für diese Erfahrung.

06.11.2012

Die Zeit steht still

Wir bleiben einfach - so schön ist es hier!

Morgens steht schon das Frühstück auf dem Tisch, das die Haushaltsdame liebevoll arrangiert hat.


Und dann bleibt der Tag zum Spielen, Toben, Sonne genießen, Reden...Von mir aus kann man auch mal so Urlaub machen. Im Zeitloch.

05.11.2012

Repouso do Guerreiro - Rastlager des Kriegers



Was für ein Finale für unsere Reise! Rastlager des müden Kriegers - das passt. Ich fühle mich im Ferienhaus von Shirley und Fabio wie im Paradies.



Morgens treten wir aus unserem Zimmer in einen Palmengarten,...


...der direkt zum Strand führt.


Ein Strand nur für uns.


Die Kinder spielen witzig miteinander oder werden von der Haushaltsdame bespaßt.


Ich, müder Krieger nach langer Reise, genieße die Ruhe dieses Ortes. Wir haben die Nacht in einem richtigen Bett verbracht, nichts schaukelt, nirgends ist es zu eng, fließend Wasser kommt aus dem Hahn, die Dushce ist heiß, mein Kind kann rennen, so viel es möchte, und mit einem anderen Kind kichern - es sind so viele kleine Dinge, die ich plötzlich unschätzbar wertvoll finde. Mehr braucht es gar nicht zum Paradies.

Fabio fährt mit Bill und Michi zur Ankerbucht, damit alle mal nach dem Rechten sehen können und damit Michi indische Gewürze und Töpfchen holen kann. Heute Abend will er für alle indisch kochen.

Während die Jungs unterwegs sind, gehen wir Mädels schonmal an den Strand, wo sich die Kleinsten mit Matsch bewerfen dürfen. Yeah! Das fetzt!

Später kommen Bill und Michi (samt Schnorchelausrüstung) dazu.



Zum Schnorcheln ist das Wasser leider heute zu trüb und zu aufgewühlt. Aber Kaya lässt sich davon nicht abschrecken - man kann ja auch Trockenübungen machen.


Und abends gibt es - wie versprochen - ein großartiges Menü mit Basmatireis und Mungbohnendaal und Currygemüse...

...und wieder sehr spannenden Gesprächen. Mittlerweile sind Fabios Vater und seine Frau angereist, ebenfalls sehr faszinierende Persönlichkeiten, mit denen es großen Spaß macht, sich zu unterhalten.

Leben in der Großfamilie - so stelle ich es mir vor, so hätte ich es gerne immer!

04.11.2012

Ausflug nach Barra Grande

Ronaldos Boot ist ein traditionelles Holzboot mit Motor, Pinne und kleinem Dach. Ein bisschen schnörkelig, ein bisschen bunt, sehr laut - und sehr romantisch. Vorbei an Palmen, Palmen, Palmen geht es in einer etwa 30-minütigen Fahrt nach Barra Grande.


Barra Grande ist touristisch, aber auf eine nette Art. Ecotourism: Viel Holz, viel Kunsthandwerk, kleine Bars und Cafés, kleine Läden mit Hippiehemdchen und Schmuck, sandige Straßen, insgesamt sehr entspannt.


Allerdings ist heute Sonntag. Und unsere Idee, dass in einem Touristenort sicher auch sonntags alles offen ist, stellt sich als zu optimistisch heraus. Ein paar bunte Läden haben offen, ein paar Supermärkte auch (Kaya bekommt neue Havaianas!),...


...aber Internet, was wir alle so dringend suchen, ist nirgends zu bekommen. Die wenigen Internetcafés sind geschlossen. Dabei brauchen wir doch dringend Wetterdaten, wollen emails lesen und schicken, am liebsten das Blog updaten usw.

Vor einem Laden schließlich finden wir eine Möglichkeit, mit Bills Computer ins Netz zu gehen. Sehr langsam, aber immerhin! Hier bleiben wir. Lange.


Die Jungs checken das Wetter, die Mädels shoppen. Kaya findet eine kleine Freundin, mit der sie begeistert das Sortiment des Ladens testet.


Wir kommen mit den Eltern ins Gespräch, die zum Glück hervorragend Englisch sprechen. Shirley, aus Brasilia, und ihr Mann Fabio, Brasilianer, aber in Chicago aufgewachsen, haben viel zu erzählen. Er ist Diplomat für Brasilien, so dass sie mit ihrer kleinen Familie immer woanders leben. Momentan in Angola. Wir alle merken: oh, das macht Spaß, sich zu unterhalten - und gehen zusammen Mittagessen.


Am liebsten möchten wir alle mit aufs Boot nehmen. Michi wollte eigentlich heute Abend für Bill und Marjorie kochen, gerne würden wir unsere neuen Freunde dazu einladen. Aber die Logistik ist ein bisschen kompliziert. Wie kommen wir alle dahin? Und wo sollen alle sitzen? Fabio hat eine andere Idee: Sie haben für ihren Urlaub hier ein Ferienhaus am Strand von Taipu gemietet, nicht weit von Barra Grande, das riesig sei. Große Küche, viel Platz, sogar zahlreiche Schlafzimmer, so dass wir auch gerne über Nacht bleiben dürfen. Das klingt doch auch toll! Und sie haben ein Mietauto. Wir könnten einfach mit ihnen fahren. Das ist dann doch zu optimistisch (6 Erwachsene und 2 Kinder im Kleinwagen?) also folgen Bill und Marjorie uns lieber im Taxi - aber was für eine Gastfreundschaft!

Das Haus ist unglaublich. Wir können uns gar nicht satt sehen an dem Palmenparadies, in das wir hier hineingeführt werden. Und die Küche ist, wie versprochen, riesig. Und irre wohnlich.


Wir fühlen uns sofort wie zuhause. Und weil es dann auch noch anfängt, in Strömen zu regnen, und wir nicht sicher sind, ob die Sandstraße bei solchen Regengüssen überhaupt befahrbar ist, nehmen wir Fabios Angebot an: Wir bleiben ganz spontan über Nacht. Der Abend ist genial, gute, tiefe Gespräche über Politik, Beziehungen, Philosophie, Literatur - alles, worüber es Spaß macht, sich auszutauschen. Großartige Gesellschaft! Und Kaya und Sarah sind auch gut beschäftigt, flitzen im Regen rum, spielen Fußball und Fangen unter den Palmen im riesigen Garten und kichern. So will ich leben!

03.11.2012

Grandparents of the Sea

Heute ist Samstag - Markttag in Camamú. Ein Erlebnis, schreibt der Segelrevierführer, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Wir hatten gestern Abend schon alles gepackt, weil das Schnellboot nach Camamu angeblich um 6 Uhr morgens fährt. Wecker um 5.15 Uhr. Leider ist Michi ein bisschen krank, hüstelt, fühlt sich schlapp und grippig. Keine gute Voraussetzung für eine brasilianische Stadt... Wir entscheiden, hier zu bleiben.

Aber das frühe Aufstehen hat sich trotzdem gelohnt. Ich sitze auf dem Vorschiff im warmen Morgenwind und genieße den Sonnenaufgang über Campinhos. Naturschauspiele, glaube ich, gehören zu den tiefsten spirituellen Erlebnissen, die einem geschenkt werden können.


Jetzt, da der Tag wieder neu zur freien Gestaltung vor uns liegt, beschließen wir, das fremde Segelschiff näher kennen zu lernen. Im Fernglas haben wir bereits gesehen: "Second Wind, Juneau" - aus Alaska!

Es ist toll, wie unbefangen sich Nachbarsegler begegnen. Man steigt in sein kleines Ruderboot, rudert rüber, klopft an die Bordwand, wird - normalerweise - prompt an Bord gebeten und trinkt erstmal ein Käffchen zusammen. Bei allen die gleiche Neugier (Wo kommt ihr her? Wo wollt ihr hin? Wer seid ihr? Was ist eure Lebensgeschichte?). Probier das mal in Deutschland: Beim Nachbar klopfen und gucken, was passiert. Wie viele würden dich prompt einladen, reinzukommen?

Hier jedenfalls werden wir eingeladen - sehr herzlich. Marjorie und Bill, kurz vor 60, sind äußerst erfrischend in ihrer Art. Sie freuen sich auch über ein anderes Schiff, haben lange keine Segler mehr getroffen.


Wir bleiben lange, erzählen von uns und unseren Reisen und unseren Familien und unseren Ideen und Träumen. Schön ist das! Und Kaya wird auch verwöhnt, bekommt Kekse und Limo und kleine Geschenke. Marjorie ist ganz verliebt. Sie erzählt mit leuchtenden Augen von ihren eigenen 5 Kindern und von Kindern, die sie auf ihrer langjährigen Segelreise getroffen haben und für die sie "grandparents of the sea" geworden waren. Es tut gut, sich mal wieder mit intelligenten, gebildeten, interessierten Menschen zu unterhalten, deren Sprache ich spreche.

Und einen schönen Blick auf unser Zuhause haben wir von hier auch:


Nachmittags holen Bill und Marjorie Kaya und mich mit dem Bötchen ab, um zusammen zum Strand zu fahren, während Michi seine Grippe kuriert. Am Strand ist viel mehr los als gestern: zwei Partyboote liegen hier, spielen laute Rhythmen, Menschen tanzen an Bord oder im seichten Flusswasser. Samstag in Brasilien. Wir lernen eine tolle brasilianische Familie kennen, mit deren Kindern Kaya schnell Freundschaft schließt. Auch sie sind mit dem Boot unterwegs, aber schon seit etwa einem Jahr hier, haben ein Häuschen gemietet und verbringen ab und an die Wochenenden auf dem Boot. So geht's auch! Wir unterhalten uns mit Händen und Füßen, Brocken von unserem Portugiesisch und Brocken von ihrem Englisch. Sehr lustig!

Bevor wir zurück fahren, organisieren wir uns noch eine Transportmöglichkeit nach Barra Grande, dem viel gelobten Strandort um die Ecke. Wir verabreden uns mit Ronaldo, einem Touristenführer, für morgen 9 Uhr. Dann ab ins Schlauchboot und nach Hause. Toller Tag!

02.11.2012

Campinhos

Hatte ich schon mal geschrieben, dass es Dinge des Alltags gibt, die einem in einer "normalen" Wohnsituation gar nicht besonders auffallen, die aber auf dem Boot eine ganz neue Bedeutung gewinnen? Wasser ist zum Beispiel so ein Thema. Zuhause: Hahn auf, Wasser raus. Das geht hier auch, nur dass das Wasser aus dem Hahn begrenzt ist, da es in zwei Tanks gelagert wird, die irgendwann leer sind und nachgefüllt werden wollen. Wenn man in einer Marina am Steg liegt, ist das nicht so wild. Schlauch anschließen, Tanks voll machen, Schlauch wieder weg packen. Ein bisschen umständlich, aber nichts gegen die Aktion heute.

Regi hatte uns ja freundlicherweise seinen Wasserschlauch angeboten. Aber mit dem großen Boot kommen wir nicht ans Ufer. Also leihen wir uns Kanister aus, holen alle unsere leeren Plastikflaschen raus und Michi rudert mit einem Schlauchboot voller leerer Plastikbehältern an Land.


Während Michi Wasserkanister füllt, vertreiben Kaya und ich uns die Zeit an Bord. Unsere kleine Reisejournalistin!


Als alle Flaschen gefüllt sind, rudert Michi damit zurück, wir hieven Kanister um Kanister aus dem Schlauchboot an Bord, dann gilt es, in liebevoller Kleinarbeit das Wasser aus den Kanistern in die Tanks zu füllen. Kaya ist dabei eine große Hilfe. "Will Wümmweste anziehen und zu Papa gehn!" Immerhin weiß sie das schon: Wenn sie aufs Vorschiff will, muss sie die Wümmweste tragen.


Nachmittags rudern wir dann wieder alle zusammen zum kleinen Strand. Kaya kann schon ganz alleine schwimmen!


Und unter den einheimischen Kindern ist sie der Star.


Während Kaya plantscht, gehe ich mal eine Runde schwimmen - und genieße den Anblick unseres fröhlich quietschenden Kindes vor der Kulisse der kleinen Strandbar, in der Michi entspannt liest und Kaffee schlürft. Family Quality Time. Das ist es eigentlich, was wir hier machen. Intensivste Zeit miteinander, füreinander, für uns selbst. Was für ein Luxus!


Was wir auch hier machen können: Intensiv die Natur spüren. Für Kaya ist das besonders toll. Sie genießt es sichtlich, sich nakct im Sand zu wälzen. (Ich würde gerne mitmachen, habe dann aber doch zu viele Hemmungen...)




Irgendwann wird es dann langsam wieder dunkel.


Der Protest ist zwar groß, als wir Kaya vom Strand wegholen, abspülen, anziehen, ins Dinghy packen - aber es hilft ja nichts. Irgendwann muss man eben wieder nach Hause.

Ein besonderes Highlight gibt es noch für uns an diesem Abend: Ein neues Segelboot läuft ein! Mitten in der Nacht, ganz langsam. Wir können nicht viel sehen, aber an den Lichtern lässt sich erkennen, dass es ein Segelboot ist, relativ groß, vermutlich ein anderer Fahrtensegler. Wie aufregend! Seit Itaparica hatten wir keine anderen ausländischen Boote mehr gesehen. Wir sind gespannt, wer da wohl drauf wohnt. Morgen rudern wir mal zu Besuch hin. 

01.11.2012

Überfahrt Gamboa - Campinhos

Etwa 40 Seemeilen die Küste runter liegt die Bucht von Camamu, viel gelobt von Reise- und Revierführer und von anderen Seglern. Von mir aus könnten wir einfach hier bleiben, in Morro. Wir könnten am Strand chillen, bei Horst in den Pool springen, immer lecker essen, gute Bücher lesen - so einen ganz normalen Strandurlaub machen. Wie andere Familien auch.

Aber Michi will weiter. Und ich habe mittlerweile gelernt, dass es mir auch gut tut, die eigene Trägheit zu überwinden und mich mitnehmen zu lassen. Bisher habe ich dadurch wieder und wieder unglaubliche neue Erfahrungen machen dürfen.

Also gehen wir gegen halb 8 morgens Anker auf und steuern Richtung Süden. Raus aufs Meer. Mir wird schon im Vorhinein beim bloßen Gedanken schwummerig. Geschätzte 10 Stunden Geschaukel liegen vor uns. Wieder gilt die Devise: Durchhalten, nicht jammern, hilft sowieso nichts, stark sein, überleben. Ab und an über die Reling hängen...

Die Fahrt hat durchaus auch ihre schönen Momente. Wenn die Segel stehen, der Wind mit sanften 10 - 15 Knoten bläst und wir mit Wind und Welle mit flotten 5-6 Knoten vorangleiten, ist das schon ein beeindruckendes Erlebnis. Wenn mir nicht dauernd so übel wäre... Und wenn Kaya nicht dauernd lieber unter Deck spielen würde, wo das Geschaukel noch schwerer zu ertragen ist und wo es stickig und schwül ist. (Alle Luken müssen geschlossen bleiben, da ja sonst Salzwasser in den Salon spritzen könnte). Ich schaffe es eine Weile, auf dem Salonsofa das unermüdliche Kind zu beschäftigen, aber mir ist ziemlich flau dabei. Ab und an muss ich auch einfach mal ermattet daliegen. Gut, dass Kaya so geduldig ist und sich auch mal ein bisschen selbst unterhalten kann.


Draußen zu sein ist dagegen viel schöner. Als wir alle im Cockpit sitzen, Michi Auberginen-Risotto serviert, die Sonne scheint, die Wellen plätschern, ist segeln mal wieder ganz großartig. Und ich bin erstaunt, mit welchem Appetit wir essen können!

Da Wind und Wetter uns wohlgesonnen sind, erreichen wir unsere Ankerbucht in Campinhos, am Eingang zur Bucht von Camamu, schon gegen halb 5, angenehm vor Sonnenuntergang. Im Revierführer ist ausgiebig beschrieben, wie nett die Menschen hier seien und wie freundlich man in den Pousadas am Ufer empfangen würde. Wir sehen auch mehrere Stege, mehrere malerische Häuser dahinter - aber keinen Menschen. Alles ausgestorben. Als wir an Land gehen, wird dieser Eindruck bestätigt: Alle Pousadas geschlossen, verkauft, unbewohnt. Schade.

Trotzdem gefällt es mir hier. Wir gehen zum kleinen Strand, an dem nicht viel los ist. Eine einfache Bar mit Holztischen, ein paar Palmen, Kinder, die im sanften Flusswasser plantschen - alles sehr entspannt, sehr authentisch, sehr wenig vom Tourismus berührt. Wir lernen Regi kennen, einen freundlichen Brasilianer, der hier mit Frau und Kindern lebt, und der uns nicht nur anbietet, bei ihm morgen Wasser für unsere Tanks zu holen, sondern auch vorschlägt, dass seine Frau unsere Wäsche machen kann. Prima!

Kaya darf noch ein bisschen nakct im Wasser spielen, sich im Sand panieren und rumtollen, bis es dunkel wird. Was sie sehr genießt! Dann rudern wir zurück. Und ich bin froh, dass wir nicht in Morro geblieben sind und es uns bequem gemacht haben. Bequemlichkeit ist einfach nicht das oberste Ziel im Leben. Spannender ist es, wenn es zwischendurch eben mal überhaupt nicht bequem ist.

31.10.2012

Tornado


Horst hat einen Segel-Club mit einem Dutzend Katamaranen, die er vermietet: 16-Fuss Hobie-Cats und 20-Fuss Tornados. Der Tornado ist eine olympische Klasse, und wird manchmal als Formel-1 des Segelns bezeichnet. Und damit will Horst heute segeln und hat mich und seinen Bruder Klaus, der gerade hier Urlaub macht, eingeladen mitzusegeln.


Er erklärt uns, wie man sich ins Trapez einhakt und damit ausreitet, etwas was ich in meinem Seglerleben noch nie gemacht habe. Ich frage ihn auch, wie man am besten aus dem Wasser auf den Katamaran aufsteigt, und er erklärt es mir mit der Bemerkung, dass Mann-Über-Bord ja fast nie vorkommt.


Wir segeln los und zischen gleich flott über die Wellen. 15 Knoten Wind, fast 20 Knoten Speed am Wind. Klaus und ich hängen uns in unsere Trapeze und stehen auf der Kante. Bei jeder Welle werden wir nassgespritzt, aber das Wasser ist warm, wie unter einer lauwarmen Dusche. So macht Wassersport Spass. Ich habe nur etwas Sorge, dass mir meine Sonnenbrille vom Gesicht gespült wird, aber sie hält fest, obwohl ich Salzwasser in die Augen bekomme.

Mein Trapezgurt zwickt etwas im Schritt, und um es mir bequemer zu machen ziehe ich mich etwas hoch und entlaste den Gurt. Plötzlich macht es Platsch und ich bin unter Wasser. Ich tauche auf und sehe den Kat davonzischen. In dem Moment habe ich gelernt: im Trapez ist man nur lose eingehakt, und nicht fest angeknotet wie beim Felsen klettern. Und ich habe mich gerade selber ausgehakt. Zum Glück habe ich meine Sonnenbrille noch auf der Nase - erstaunlich, obwohl sie nicht festgebunden ist.

Horst fährt gekonnt das Manöver, kommt zurück und zieht mich wieder an Bord. Gut, dass wir das vorher besprochen hatten.

Wir zischen weiter, fahren eine Wende und Klaus und ich reiten auf der anderen Seite im Trapez aus. Wieder Speed, Spray, Spannung, Spass. Und plötzlich macht es Knack, Platsch und ich bin wieder unter Wasser. Ich habe die Schot noch in der Hand und werde mit ungefährt 10 Knoten durchs Wasser geschleift. Das halte ich nicht aus und lasse die Schot los. Ich tauche auf und das selbe bekannte Bild wie vorher: der Kat wendet und kommt zurück. Nur irgendwie ist jetzt alles heller... meine Sonnenbrille ist weg! Kein Wunder... vom Kopf gespült und jetzt auf dem Weg auf den Grund in 20m Wassertiefe. Hoffnungslos verloren. Aber es gibt schlimmere Verluste und irgendwie war es den Segelspass auch wert.

Ich werde wieder aufgefischt und wir stellen fest, dass an meinem Trapez eine Befestigung gebrochen war. Diesmal war es also nicht meine Schuld. Wir segeln noch ein Weilchen weiter, halsen und kommen zurück. Auf dem Rückweg darf ich auch mal an die Pinne. Ich bin zwar noch nie Formel-1 gefahren, aber kann mir den Vergleich vorstellen - man fährt fast wie auf Schienen.

Das war auch mal ein unvergesslicher Segeltag.

30.10.2012

Bei Horst

Horst bekommt einen eigenen Blogeintrag. Weil er ein kleines Paradies geschaffen hat, das soll nicht in anderen Alltagsbeschreibungen untergehen.

Seine Pousada "Natureza" liegt direkt am Fähranleger an einem steilen Hang. Es ist ein traumhaft schöner Komplex aus einzelnen Bungalows in einem malerischen, tropischen Garten mit Blick aufs Meer. Wir erklimmen die vielen weißen Stufen, die durch die Anlage führen und erreichen ganz oben auf dem Gipfel des Hügels Horsts Privathaus. Er empfängt uns herzlich und gastfreundlich mit leckerem Kaffee und kaltem Wasser. Das tut gut!

Vor 30 Jahren, so erfahren wir, ist er nach Morro gekommen und hat gemerkt: Schön hier! Da gab es noch keinen Tourismus, noch keine andere Pousada, nicht mal fließendes Wasser. Sein Wasser musste er in schweren Kanistern zu Fuß den Berg rauf tragen. Und dann hat er so nach und nach dieses Leben hier aufgebaut. Hat eine brasilianische Frau gefunden, sich selbst hier oben eine Traumvilla gebaut mit offenen, luftigen Räumen, mit Terrassen und Balkonen mit gigantischen Blicken, hat die Pousada eröffnet als einer der ersten, der auf die Idee gekam, hier Tourismus anzubieten (heute gibt es etwa 200 Pousadas in Morro!), hat eine Katamaran-Segelschule gegründet und lebt nun sehr bequem im Tropenparadies. So geht's auch.

Hier ein paar Eindrücke vom Haus:

Drinnen:


Blick vom Balkon auf den Strand:


Blick aus den Fenstern auf der anderen Seite zum Sonnenuntergang:


Auf dem Weg nach oben war uns der bilderbuchartige Pool aufgefallen, der das Herz der Anlage bildet. Kaya fragt wieder und wieder, ob sie "wümmen" darf. "Klar," bietet Horst an, "kein Problem!" Er und Michi tauschen noch ein paar Segelinfos aus, verabreden sich für den nächsten Tag an der Katamaranschule zum Katamaransegeln, dann gehen wir zum Pool runter.

Manchmal fragen wir uns schon: Womit haben wir das verdient? Wir leben im Werbeprospekt. Nur schöner.


Und die kleine Wasserratte, noch fast ein bisschen schrumpelig von der langen Zeit im Meer, kann gar nicht genug kriegen.




Während Kaya und Michi im Wasser toben, ruhen ich und das Kleinste in meinem Bauch uns auf einer der Liegen aus und genießen die letzten Strahlen der Abendsonne.


Irgendwann ist Kaya dann auch erschöpft.


Es wird auch langsam dunkel, also packen wir unsere Sachen und laufen zum Fähranleger zurück. Feste Abfahrtszeiten scheint es ja nicht zu geben, also setzen wir uns an den Steg und warten. Und genießen, wie der Mond aufgeht.

Und irgendwann kommt aus dem Dunkel tatsächlich ein Licht angetuckert. Schöne, entspannte Art zu reisen. Ohne Uhr. Hinsetzen und warten. Und vertrauen. Wird schon ein Boot kommen. Gute Übung in Gelassenheit.

Morro de São Paulo II

Wir verholen ans andere Flussufer nach Gamboa. Eigentlich wollen wir ja wieder nach Morro de São Paulo, aber da der Ankerplatz dort so schaukelig war, wollen wir es diesmal von hier probieren. Gamboa liegt etwas geschützter, man kann mit dem Dinghy bequem an den Strand fahren und es gibt einen regelmäßigen Fährbetrieb nach Morro. Und schön ist es hier auch.


Der Weg zum Fähranleger ist hart. Wir tragen zuerst das Dinghy meterweit den Strand hoch, um es oben hochwassergeschützt an eine Palme zu ketten, schleppen dann uns und das Kind und den schweren Rucksack mit Ausrüstung für einen langen Strandtag den Strand hoch durch tiefen Sand, dann eine holprige Straße entlang, über eine nicht sehr vertrauenserweckende Brücke, die über eine stinkige Kloake führt, in den Ort Gamboa hinein, auf heißem Asphalt durch den Ort, dann wieder zum Strand, wieder durch schweren, tiefen Sand, der an den Füßen brennt - und wieder mal frage ich mich: Was zum Teufel mache ich hier? In meinem Zustand! Ich sollte auf dem Sofa liegen und wimmern und mich verwöhnen lassen. Oder...?

Warten auf die Fähre.


Einsteigen.


Auch in Morro ist der Weg vom Fähranleger in den Ort nicht so ohne, da es erstmal ganz steil bergan geht. Kaya darf Taxi fahren,...


...wir müssen laufen. Aber alle Beschwerlichkeiten des Weges sind vergessen, als wir wieder die Traumstrände Morros unter uns liegen sehen. Yeah! Hin!!


Und ab ins Wasservergnügen!










Obwohl wir eigentlich alle gar nicht genug kriegen können, zwingen wir uns irgendwann zurück an Land, ins Handtuch und zurück in den Ort. Schließlich haben alle Hunger und außerdem sind wir um 2 mit Horst, einem deutschen Pousada-Betreiber, verabredet. Nico aus Salvador hat uns den Kontakt vermittelt. Horst sei auch Segler und würde sich bestimmt über unsere Bekanntschaft freuen. Wir sind gespannt. Erstmal essen!