Trotzdem ist mir ein bisschen flau, als wir die Leinen loswerfen. Lange nicht mehr auf See gewesen. Und noch nie mit quirligem Kleinkind. Aber Kaya macht sich spitze als Segelmaedchen! Erst steht sie stolz neben mir auf dem Vordeck in ihrer schicken Schwimmweste und hilft mir, die Mooring-Leine ins Wasser zu werfen, dann sitzt sie wie ein Profi im Cockpit. Und Michi steuert uns sanft aus dem Hafen von Salvador raus. So sieht das dann aus (man beachte vor allem die originelle Befestigung unseres Fahrrads!):

"Wir fahren," ruft Kaya wieder und wieder. "Hurra, wir fahren!" Hurra, denke ich, und kaempfe mit meinen Gefuehlen zwischen riesiger Abenteuerfreude und mulmiger, unsicherer Angst, ob auch wirklich alles gut gehen wird. Kaya ist da unbefangener. Kann man noch was von lernen.

Tatsaechlich ist die Bucht angenehm ruhig. Wir setzen das Grosssegel gemeinsam (und das in meinem Zustand!) und ich lehne mich entspannt zurueck. Leider haelt diese Ruhe nicht lange. Wir seien auf falschem Kurs, verkuendet der Skipper, das Gross muesse auf die andere Seite. Halsen, heisst das dann. Wenden mit Wind von hinten. Kein Problem, denke ich. Mal kurz fuer die Nicht-Segler unter uns: Das Grossegel wird senkrecht am Mast hochgezogen und quer vom Grossbaum gehalten. Der Grossbaum ist mit der Grossschot verbunden, einem langen Seil, das ueber ein paar Rollen uebersetzt nach unten ins Cockpit geht, wo es auf einer langen Schiene von rechts nach links gefuehrt werden kann, je nachdem, wo man das Segel haben moechte. Auf der Schiene laeuft der sogenannte "Traveller", ein Metallschlitten, an dem die Grossschot befestigt ist. Moechte man das Segel ausbaumen, also weit nach draussen uebers Meer hinaus lassen, so gibt man die Grossschot frei, macht sie also lang. Will man das Segel uebers Boot holen, holt man die Schot dicht, verkuerzt sie also. Klar? Sonst Bilder googlen: Grossschot, Traveller, halsen...
Wir jedenfalls fahren mit voll ausgebaumtem Segel. "Grossschot dicht holen, fertig machen zur Halse," sagt der Skipper. Ich zerre mit allen Kraeften an der Schot, so gut ich kann. Dann versuche ich, den Traveller, der jetzt ganz rechts steht, mit der Hand zur Mitte der Schiene zu bewegen. Aber mir fehlt die Kraft. Kein Wunder. In meinem Zustand! "Macht nichts," sagt Michi. "Dann gib den Traveller einfach so frei, ich fahre die Halse, dann rauscht er von alleine rueber." Ich hatte mal gelernt, dass man den Traveller lieber vorsichtig und in Etappen ueber die Schiene fuehrt. Aber wenn es eben nicht geht und wenn der Skipper sagt, wie probieren es so, probieren wir es eben so. Ich muss auf meine Finger aufpassen, so viel ist mir klar. Wenn der Baum umschlaegt, kann er das mit ziemlich viel Kraft tun. Also gebe ich den Traveller frei, setze die Stahlklammer ganz links, die ihn halten soll, und warte, Kopf und Finger in sicherer Entfernung, Blick auf Kaya, auch in sicherer Entfernung. Michi lenkt das Boot behutsam zur Halse... Mit gefuehlten 120kmh rast der Traveller urschnell von rechts nach links, schiesst gegen die Blockade, haut sie mit explosiver Gewalt aus ihrer Verankerung, Stahlteile spritzen durch die Luft wie im Comic, der Traveller schiesst ueber das Ende der Schiene hinaus, dabei auch die Plastikabdeckung absprengend, und schlaegt wie ein Tier in Panik an der nun lose im Wind flatternden Schot weit ueber unseren Koepfen hin und her. "Ok," sagt Michi ganz ruhig. "Das ist kaputt." Mir sitzt das Herz in der Hose. Ich kniee auf dem Cockpitboden und halte verzweifelt immer noch mein Ende der Schot in der Hand. Und nun?
Der Schaden ist, wie sich nach wenigen Minuten herausstellt, gar nicht so katastrophal, wie wir erst dachten. Sah spektakulaer aus, ist aber gar nicht so wild. Fast alle Teile sind im Boot geblieben, nur von den Rollen, auf denen der Traveller gelagert war, fehlen drei. Kriegen wir wieder repariert.
Der Rest der Ueberfahrt ist genauso beschaulich, wie ich mir das vorgestellt hatte. Bilderbuecher unter Deck lesen, an Deck mit allen Schokokekse knabbern, dabei auf das lauschige Ufer Itaparicas schauen, an dem wir in geringer Entfernung vorbeiduempeln. So darf das sein! Kein bisschen Seekrankheit, keine weiteren Zwischenfaelle mehr.
Und dann sind wir auch schon in der Marina Itaparicas. Ein kleines Paradies!

Tropischer Abend wie im Bilderbuch. Wow! Schoen hier!

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