28.10.2012

Internet in Cairú

Der Tag beginnt gut. Ich wache ungewöhnlich früh auf, gegen 5, und werde dafür mit dem zauberhaften Anblick eines Regenbogens im Morgensonnenlicht belohnt. Tolle Stimmung! Wo hat man schon so einen Blick von der eigenen Terrasse aus?


Es gibt Momente, in denen mich die Lebensqualität, die einem das Leben auf einem Segelboot bieten kann, ziemlich umhaut. Es gibt nichts, was sich hiermit vergleichen ließe. Ebenso gibt es Momente, in denen mich fix und fertig macht, wie anstrengend das Leben an Bord ist - aber so ist das eben. Die Medaille hat nunmal zwei Seiten. Ich verstehe langsam, dass man sich entscheiden kann: Für beide Seiten oder für keine von beiden. Wenn ich erleben möchte, was wir hier gerade erleben, wenn ich diese Freiheit und diese Glücksmomente in meinem Leben möchte, dann muss ich dafür auch den Kampf akzeptieren, den dieses Leben eben auch mit sich bringt. Die Enge, die vielen Einschränkungen, das Geschaukel, die Seekrankheit, den Horror der Angst, die Herausforderung für die Beziehung...Im Moment, während ich an Deck in der warmen Morgenluft sitze und auf den Regenbogen über den Palmen gucke, weiß ich jedenfalls, dass es das alles wert ist. Ja, sage ich. Zum Kampf. Zum Glücklichsein. Zum Leben.

Unser Tag heute ist dominiert von der Internetaktion im Kloster. Wir schleppen Computer und Antenne zur Kirche hoch, schließen alles an, sind tatsächlich online - und merken, dass die Verbindung so langsam ist, dass sich kaum eine Email lesen lässt. Mit viel Geduld laden wir in stundenlangen Wartezeiten die bereits geschriebenen letzten Blogeinträge hoch und versuchen, aktuelle Wetterdaten runterzuladen. Immer wieder kommen Fehlermeldungen, immer wieder bricht die Verbindung ganz ab. Das zerrt an den Nerven! Gut, dass ich noch innerlich von dem außergewöhnlichen Morgen gestärkt bin, sonst hätte ich bestimmt schon wieder keine Lust mehr. Kaya wird es auch irgendwann zu langweilig, im Innenhof zu spielen. "Will ein Lumpfeis," sagt sie, "und einen Lolli." Kurzes Nachdenken. "Will kein Lumpfeis." "Kein Eis?" "Nein, will kein Lumpfeis!" Ich sehe, wie sich ihre Brauen in intensivem Grübeln zusammenziehen. Sie überlegt sichtlich, wie sie mir das jetzt erklärt. "Lumpfeis passt zu Sommerkleidchen. Will einen Lolli. Einen roten Lolli. Passt zu T-Shirt!" Mir geht das Herz auf - mein Kind hat einen Sinn für Farbästetik! Zur Belohnung gehe ich mit ihr einen roten Lolli kaufen. Einen, der zu ihrem T-Shirt heute passt.

Als wir zurück kommen, sind die Blogeinträge online, emails abgerufen, Wetter gecheckt und wir können alles ausstöpseln. Noch ein paar nette Worte mit Pater Lukas gewechselt,...


...dann zurück an Bord und endlich Mittagessen gemacht. Uff! Wir waren schon halb verhungert! Nachmittags rudern wir nochmal an Land, um mit Kaya wie versprochen zum Spielplatz zu gehen, den wir gestern Abend noch entdeckt hatten. Der Spielplatz ist ungewöhnlich schön und gepflegt, wie ein Spielplatz aus dem Werbeprospekt vom Club Med. Leider belästigen uns permanent zwei brasilianische Kinder, die uns die Geschichte von Cairú für ein paar Reais erzählen wollen. "Nein" scheint hier als Antwort nicht zu gelten. Sie kleben wie träge Fliegen an uns, sprechen uns wieder und wieder an, ob wir ihnen nicht wenigstens ein bisschen Kleingeld zum Computerspielen geben könnten, und werden insgesamt ziemlich lästig. Was macht man da? Ignorieren, am besten. Es kommt mir zwar unhöflich vor, aber ich tröste mich damit, dass sie mit der Unhöflichkeit angefangen haben. Kaya jedenfalls hat Spaß, rutscht und schaukelt und saust und tobt. Manchmal, wenn wir solche Landgänge mit Kaya machen, komme ich mir vor, als ginge ich mit meinem Hund Gassi. Austoben lassen, dann wieder ab nach Hause. Auch das gehört zum Segelalltag. Wir gewöhnen uns langsam dran.

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