19.03.2012

ITC

12. Tag



Seit ich mich mit der Planung für meine Atlantiküberquerung beschäftige, habe ich großen Respekt vor der Intertropischen Konvergenzzone (oder ITC für Inter Tropic Convergence). Das ist da, wo der Nordost-Passat der Nordhalbkugel und der Südost-Pasat der Südhalbkugel aufeinandertreffen, und die warmen, feuchten, Luftmassen gemeinsam in die Höhe steigen. Das ist der meteorologische Äquator, sozusagen. Markiert wird er von einem Band labilen Wetters und häufigen, gewaltigen Gewittern begleitet von Sturmböen.

Unser Segler-Freund Bertl beschreibt das nach seiner Ankunft in Brasilien so: "Ich kam in die Gewitterfabrik dieser Erde. 140 Meilen ein Gewitter nach dem anderen. Einmal hat der ganze Ozean um mich herum geblitzt, so etwas habe ich noch nie erlebt. Imposant zum Anschauen war das aber schon. Und bei einem dieser Unwetter hat dann meine Genua den Geist aufgegeben. Zerfetzt in tausend Streifen."

Mein dementsprechender Alptraum sieht so aus: Mitten auf dem Atlantik bricht ein apokalyptisches Gewitter über Padma herein. Sturmböen zerfetzen die Segel. Ein Blitz schlägt in den Mast ein und geht quer durch den Rumpf. Durch den enormen elektromagnetischen Puls sind augenblicklich alle elektronischen Geräte durchgebrannt. Der Kompass wird ummagnetisiert und zeigt irgendwo hin. Ich bin vollkommen orientierungslos. Der Motor lässt sich nicht mehr anlassen. Außerdem hat der Blitz auf dem Weg ins Meer ein Loch in den Rumpf gebrannt. Ich saufe langsam ab, und komme irgendwo neben dem Air France Airbus zur Ruhe... Aber es muss ja nicht von allem das ausdenkbar Schlimmste auch eintreffen, sage ich mir. Außerdem kann man Vorkehrungen treffen. Aber durch die ITC muss ich durch, da führt kein Weg daran vorbei, jedenfalls kein Weg nach Brasilien. Ich halte also Ausschau nach dem was da kommen muss. Seit zwei Tagen sehe ich Cumulus-Wolken am Himmel, Anzeichen für vertikale Luftbewegung. Laut Wetterinfo von MSC Mira befindet sich die ITC jetzt ungefähr bei 2 Grad Süd, also noch ein paar Tage hin, kurz vor Fernando de Noronha.

Heute Vormittag sehe ich voraus zu beiden Seiten dunkle Wolken und Anzeichen von Regen. Auf dem Radar ist dann auch ganz deutlich eine Reihe von dicken Regengebieten zu sehen. (Sagte ich eigentlich schon mal, dass das Yachtradar eine der besten Anschaffung ist, die ich je für Padma gemacht habe?). Aha, denke ich mir, erste Vorboten der ITC. Also Vorsichtsmaßnahmen treffen: Elektronik für den Notfall (GPS, Epirb, Handsprechfunk, Handy, Kopflampe, Batterien) kommen in den großen Schnellkochtopf, der als faradayscher Käfig wirkt und alles elektromagnetische abschirmt. Kupferdrähte, die ich eben noch schnell ab-isoliert habe, binde ich als Blitzableiter am Deck an die Wanten und lasse sie ins Wasser baumeln. Ich habe gelesen, dass sich damit das elektrostatische Potential zwischen Himmel und Wasseroberfläche, das sich vor einem Blitzschlag aufbaut, neutralisieren lässt, und somit Blitze verhindert oder abgeschwächt werden. Aber Blitzvorkehrungen sind immer irgendwo zwischen Wissenschaft und Aberglauben angesiedelt, denn sie lassen sich nicht systematisch testen.

Außerdem Rolle ich schon mal die Genua ein, und bereite mich aufs schnellen Bergen des Großsegels vor, wenn Böen kommen. So lasse ich also das Wetter auf mich zu kommen. Auf dem Radar beobachte ich, wie die Regengebiete ziehen, und versuche, obwohl ich bei schwachem Wind und wenig Segel kaum noch Fahrt mache, den Kurs so zu setzten, daß ich in einer Lücke zwischendurch komme. Der Wind ist nicht nur schwach, sondern ändert auch noch die Richtung, aber es scheint mir zu gelingen, die dicken Regenzonen zu vermeiden.

Während ich noch angegurtet auf Deck sitze, und den Kupferdraht an die Want knüpfe, fängt es leicht an zu regnen. Dann regnet es etwas stärker, so wie ein leichter Sommerregen in Deutschland. Sehr angenehm eigentlich. Der erste Regen auf Padma seit Oktober in den Kapverden. Ich hatte mich schon auf ordentlichen Regen gefreut, um endlich mal den ganzen afrikanischen Staub von den Segeln und vom Deck zu waschen. Aber bevor der Dreck richtig in Fluss kommt, hört der Regen nach ein paar Minuten auch schon wieder auf. Ich setze die Genua wieder und mache, dass ich wegkomme, bevor das nächste Wetter kommt.

Es klart auf und ich überprüfe Kurs und Segelstellung. Dabei fällt mir auf, dass statt dem stetigen, leichten Nordost-Wind, mit dem ich seit über einer Woche fahre, jetzt ein stegiger, leichter Südost weht. Wie?! Ist das jetzt schon der Südostpassat? War das etwa schon alles mit der berüchtigten ITC?

Vor mir klarer, blauer Himmel. Hinter mir bauen sich Wolkentürme auf (siehe Panoramafoto). Wilkommen in der meteorologischen Südhalbkugel!

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