15.11.2011

Letzter Tag in Tarrafal

Wir verbringen den Vormittag größtenteils bei Susi und Frank auf der Terrasse. Michi verschwindet zwischendurch mal mit Jorge in die Plantage, um sich kiloweise Bananen, Cassavawurzeln und Papaya ernten zu lassen. (Wow! Das reicht für eine Fahrt nach Brasilien!) Ansonsten lungern wir rum. Wobei "rumlungern" für mich nicht so richtig zutrifft. Ich bin ja die Kinderbetreuung. Und Kaya rennt unermüdlich durch die Gegend und verlangt volle Aufmerksamkeit (Macht sie auch nicht gerade was kaputt? Ist sie die Treppe hochgeklettert? Woher hat sie die Gießkanne? Waren die Scherben da schon vorher? usw.). Ich merke plötzlich, wie alles hier an meinen Kräften nagt: Die Aufsicht über meine Tochter an immer neuen, fremden Orten, das Leben an Bord, die unruhigen Nächte (in der Ankerbucht kann es auch schon mal schaukelig werden), der permanente Arbeitseinsatz, den man braucht, um überhaupt die Aufgaben des Alltags zu bewältigen. "Wir segeln um die Welt" mag mit Bildern assoziiert sein wie etwa sanft in der Hängematte schaukeln, an Deck in der Sonne dösen, Delphine gucken, Sundowner am Strand schlürfen etc. All das kommt, zugegeben, auch mal zwischendurch vor. Aber die meiste Zeit sind wir im vollen Einsatz. Vor allem, weil wir mit Kind unterwegs sind. An Tagen wie heute, wo es eigentlich nicht viel zu tun gibt und Gelegenheit zum Verschnaufen wäre, komme ich nicht mal dazu, eine einzige Seite zu lesen, weil ich dem Kind pausenlos hinterherflitze. Diese Reise ist großartig, unterm Strich, und ich bereue nicht, dabei zu sein. Aber was mir manchmal fehlt, sind Momente, in denen ich meine Batterien wieder aufladen kann. Ich werde dünnhäutig und gereizt, wenn ich das nicht kann.

Als wir zurück an Bord sind (heute deutlich vor Sonnenuntergang), macht Michi uns ein kleines Wellness-Paradies im Cockpit. Das ist doch schon mal ein guter Anfang!


Aber zerknirscht bin ich immer noch. Vielleicht auch ein bisschen, weil ich der Kamera noch nachtrauere, vielleicht aber auch, weil mich die bevorstehende Überfahrt nervös macht.


Was kann man da tun? Ich spüre zunehmend, dass mir die Kraft, rein physisch, aber auch mental, fehlt, um mich auf das Abenteuer der Atlantiküberquerung (mit Kind) einzulassen. Aus der geschützten Marina von Mindelo heraus, ließ sich ganz schön davon träumen, zumal so viele da waren, die die Tour schon irgendwann mal gemacht hatten und die ganz entspannt davon erzählten. Aber hier vor Anker, wo ich mal wieder mit der Realität des begrenzten Raumes konfrontiert bin, wo ich manchmal nicht weiß, wohin mit mir oder wohin mit einer quengeligen Kaya, wo mein Körper wieder den pausenlosen Bewegungen des Schiffes ausgeliefert ist, sieht alles doch wieder ein bisschen anders aus. Was nun? Der Plan war Brasilien. Einen Plan B gibt es nicht. Soll ich es jetzt trotzdem einfach wagen und hoffen, dass es irgendwie gut geht? Oder soll ich auf mein jetziges Empfinden hören, mich ernst nehmen, die Überquerung sein lassen? Aber was dann?

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