Es gibt keine Fotos von diesem Tag. Wer wäre auch in der Lage gewesen, welche zu machen?
Wir starten gegen 5 Uhr morgens und cruisen mit der auslaufenden Flut aus der Bucht von Camamú raus aufs wilde Meer. Der Wind bläst uns auf die Nase, die Wellen schlagen uns entgegen, hier draußen ist sogar die Strömung gegen uns. Kaya wacht auf mit blassen Wangen und den Worten: "Ich habe gepuckt." Ich ziehe sie aus ihrer Koje, was bei dem Geschaukel schon eine Kunst für sich ist, Kissen und Haare sind vollgespuckt, sie hängt schlapp und bleich in meinem Arm. Oh weia! Und wir haben noch etwa 12 Stunden Segelei vor uns, schätzt die aktuelle Berechnung! Was tun wir uns hier eigentlich immer wieder an?
Die nächsten Stunden bestehen im Wesentlichen aus Durchhalten, extremer Übelkeit, immer wieder mal Kotzen, Kaya trösten und halten, Kayas Erbrochenes Wegwischen sowie aus der Schreckensnachricht, dass die Berechnung falsch war, weil die Strömung uns so sehr bremst. Wir werden keine 12 Stunden brauchen, sondern mindestens 20.
Nicht verzweifeln, Nina! Das ist das große Übungsfeld jetzt. Gedanken wie: "Das schaffe ich nicht" oder "Ich will hier weg" gar nicht erst zulassen. Präsent bleiben. Zuversichtlich bleiben. Positives Denken üben. Andere Frauen, ich selbst vielleicht auch bald, liegen oft 20 Stunden in den Wehen - das ist auch hart. Im Schwangerschaftsyoga habe ich gelernt, die Wehen nicht zu verneinen, nicht zu verurteilen, sondern zu begrüßen mit dem Gedanken: "Jede Wehe bringt mich meinem Kind näher!" Das versuche ich jetzt auch. Bei aller Übelkeit, die mir fast die Sinne raubt, bemühe ich mich, die Wellen zu lieben und zu denken: "Jede Welle bringt uns dem Zielhafen näher." Es gelingt nicht immer.
Zum Glück hat Michi kein Problem mit Seekrankheit und navigiert uns sicher Richtung Norden. Ich kann nur im Cockpit liegen und wimmern. Kaya fällt damit auch in seinen Verantwortungsbereich. Er macht das prima! Und Kaya selbst macht es auch prima, hat sich nach ein paar Stunden an das Geschaukel gewöhnt und spielt süß.
Irgendwann wird es dunkel. Ich liege nun schon, fällt mir auf, seit ca. 12 Stunden fast unverändert auf der Bank im Cockpit. Auch das will geübt sein. Auch das gilt es auszuhalten. Michi schläft ein bisschen, ich kann ja gut Wache schieben, da ich es sowieso nirgendwo anders als hier draußen aushalten könnte.
Gegen 22 Uhr übermannt mich schließlich die Müdigkeit. Michi übernimmt im Cockpit, ich falle im Salon in einen unruhigen, schaukeligen Schlaf. Als ich wach werde, liegen wir quasi schon vor Anker vor Itaparica. Es ist 3 Uhr morgens. Respekt, Michi!
Wir haben 22 Stunden gebraucht, hart am Wind, und haben bei einer Windstärke von 18 Knoten nur 3,5 Knoten Fahrt über Grund gemacht. Das letzte Stück bis zur Bucht hat uns der Motor grummelnd gegen den Wind geschoben. Was für ein Kampf! Aber jetzt sind wir da! Völlig erschöpft kriechen wir in unsere Vorschiffskoje.
Wie schön, angekommen zu sein! Vor allem nach einer solchen Tour!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen